Verliebt in einen Gentleman
müsste ich nachdenken.
„Weswegen?“
„Dass ich mich ein wenig auf deine Kosten amüsiert habe.“
Ich schüttle meinen Kopf. „Ach wo. Es war doch ein netter Abend. Ich finde, dass man auch über sich selber lachen können muss.“
„Es liegt einfach daran, dass du so herrlich kindlich und naiv bist, meine kleine Mücke. Das ist doch sehr liebenswürdig.“
Er legt einen Arm um mich und zieht mich an sich heran.
„Wo und wann können wir uns wieder treffen?“, flüstert er mir ins Ohr, so dass ich eine Gänsehaut kriege.
Ich zucke mit den Schultern. „Ich weiß nicht, sag du es.“
„Und wenn ich morgen nach der Schule doch bei dir vorbei käme? Ich könnte durch das versteckte Tor hinten im Garten. Da habe ich eins entdeckt.“
Ein Frösteln geht durch meinen Körper. Das wäre natürlich eine riskante Geschichte, auch wenn es gerade ziemlich prickelnd wäre, aber ich entscheide mich dagegen.
„Ich will Alice keinen Anlass geben, mir zu kündigen“, sage ich. „Ich fühle mich so wohl bei ihr. Außerdem wohnt Maura noch da. Sie könnte uns ertappen.“
„Also suche ich uns einen kleinen Landgasthof in der Nähe“, sagt Ethan. „Am Wochenende hole ich dich ab.“
„Okay.“
Ethan zieht mich in die Schatten, wo das Licht der Straßenlampen nicht hinreicht, und küsst mich so, dass ich kaum Luft kriege.
„Gute Nacht, Mücke“, sagt er und verschwindet.
Mücke.
Jetzt benutzt Ethan das schon als Kosenamen. Er passt momentan extrem gut zu mir. Ich fühle mich wie eine kleine, schwirrende Mücke, die immer wieder um Ethan surren muss, um leben zu können.
Am Donnerstag gehen wir einkaufen in Colchester. Ethan klingelt um vier an der Haustür. Noch bevor ich mich die Treppe herunter bewegt habe, zieht jemand die Tür auf und lässt ihn herein. Anscheinend hat Maura sich einen Tag frei genommen.
Ich beschleunige meine Schritte.
„Hallo, Ethan“, rufe ich ihm entgegen, stürme an Maura vorbei und werfe meine Arme um ihn, um ihn zu küssen. In meinem Hinterkopf bewegt mich auch der Gedanke, dass Maura ruhig gleich sehen soll, wie sehr wie zu einander gehören. Man kann ja nie wissen.
Ethan drückt mich kurz und schiebt mich dann von sich weg. Seine Augen gleiten über Mauras üppige Kurven. Maura wirft ihre rötlichen Haare über eine Schulter und taxiert ihn ungeniert. Ethans Blick bleibt auf eine Weise an ihr hängen, die mir ganz und gar nicht gefällt.
„Komm, Schatz, wir müssen los“, sage ich hastig. „Sooo lange haben die Läden auch nicht mehr auf und wir haben noch eine längere Fahrt vor uns.“
Ich habe ihn noch nie „Schatz“ genannt. Ich spüre, wie er mich irritiert ansieht.
Oh, oh.
Im Auto schweigt Ethan wieder
eine ganze Weile. Erst als wir auf der Motorway sind, sagt er: „Lea, ich meine wir hätten geklärt, dass ich es nicht mag, wenn du mich mit deinen Zärtlichkeiten überfällst, schon gar nicht vor anderen Leuten. Außerdem mag ich es nicht, wenn du mich 'Schatz' nennst. Das klingt so billig.“
Ich lasse meinen Kopf hängen. Wieder habe ich etwas falsch gemacht. Mist!
Manchmal frage ich mich, wie lange es Ethan an meiner Seite noch aushält. Am Ende platzt ihm irgendwann der Kragen, und er schickt mich in den Tabak. Dann wäre ich selber an meinem Elend Schuld, denn ich benehme mich immer wieder wie der letzte Henker. Warum kann ich nicht nachdenken, bevor ich so etwas Blödes mache?
„Es tut mir leid, Ethan“, sage ich, „es ist mir einfach so raus gerutscht. Aber du nennst mich doch auch 'Mücke'. Ich hätte auch so gerne einen Kosenamen für dich.“
„Ethan ist doch ein schöner Name. Ich denke, du bleibst bei 'Ethan'“, sagt er.
Ich kann ihn verstehen. Ethan ist schon ein schöner Name. Kosenamen haben vielleicht tatsächlich etwas Herabwürdigendes. Bei den Lanes hatte ich mich zwar an das ewige „Schatz“ gewöhnt, aber so richtig gefallen hatte es mir auch nicht. Ich überlege, dass sie mich vielleicht nicht ganz so vereinnahmt hätten, wenn ich mir das von Anfang an verbeten hätte. Unter Umständen ist eine gewisse Distanz sicher besser.
Obwohl...
Manchmal gibt es mir doch einen kleinen Stich, dass Ethan MIR gegenüber seine Distanz beibehalten will. Wir sind doch ein Paar. Ich würde ihm doch nie etwas tun, was ihn irgendwie schaden oder verletzten würde. Dafür habe ich ihn viel zu lieb. Ob ich ihm das sagen sollte? Hier und jetzt?
Ich entscheide mich dagegen. Ich beschließe, seine Haltung zu respektieren. Vielleicht
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