Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
Interesse des Reiches entscheiden und niemand sonst!«
Der Raubvogelblick des obersten Citdieners kam auf dem königlichen Ratgeber zu liegen. Die Augen des Citarims schienen jede Faser des Körpers zu durchdringen, bis die geheimsten Gedanken entblößt waren und nichts mehr vor seinen starren Augen verborgen lag.
»Mit welchem Recht erdreistet sich dieser Bedienstete, ungefragt den höchsten Diener des göttlichen Cit anzusprechen?«, zischte der hagere Glaubensführer mit solcher Schärfe, dass es Abak Belchaim trotz seiner sonst so gefürchteten Redegewandtheit die Sprache verschlug. Der Citarim wandte sich daraufhin wieder an König Jorig, der ob der ungewohnt schroffen Behandlung seines Ratgebers mindestens ebenso fassungslos war wie dieser selbst.
»Da Eure Majestät es nicht für notwendig befunden hat«, ertönte die sonore Stimme des Kirchenoberhaupts wieder vollkommen gelassen, »den Citarim zu dieser Beratung über die Kriegsvorbereitung hinzuzuziehen, stellte ein unangemeldetes Erscheinen die einzige Möglichkeit dar, Eure Majestät und die versammelten Landesherren vor einem folgenschweren Fehler zu bewahren.«
Zwischen den Grafen und Fürsten entstand ein leises Gemurmel, während der König anscheinend noch immer über eine angemessene Reaktion auf derart dreist vorgebrachte Überheblichkeit seitens des Kirchenfürsten nachdachte. Seine Schläfen pulsierten, aber er sagte nichts.
»Denn der Sonnenfürst selbst«, fuhr der Citarim ungerührt fort, »der Behüter von Ehre und Gerechtigkeit ließ seinen ersten Vertreter unter den Sterblichen wissen, dass er den bevorstehenden Krieg gegen Fendland missbilligt.«
»Was?«, polterte der König jetzt los, nachdem er sich schon länger als gewöhnlich zurückgehalten hatte. »Woher wisst Ihr überhaupt von den Kriegsplänen? Und was ist das für ein Unsinn, dass Cit diesen Krieg missbilligt? Habt Ihr deswegen diese Beratung gestört?« Jorig Techels Gesicht lief puterrot an.
Vollkommen gefasst und ohne auch nur eine Miene zu verziehen, erwiderte der Citarim: »Wollt Ihr damit etwa sagen, die Offenbarungen des Sonnenfürsten wären Unsinn?« Jedes einzelne Wort schien schneidend wie eine Messerklinge.
»Das nicht«, gab der König ein wenig vorsichtiger zurück, »aber ich will einen vernünftigen Grund hören, warum dieser Krieg gegen Fendland nicht stattfinden soll. Eine ominöse göttliche Missbilligung wird mir da nicht genügen!«
»Wenn Euer Vertrauen in den göttlichen Ratschluss so bedauernswert unzulänglich ist«, antwortete Torion Menaurain mit verächtlich zusammengekniffenen Augen, »so werde ich Euch auch den Grund für diese Ablehnung des bevorstehenden Feldzugs durch das große Himmelsauge wissen lassen. Der Aufstand der Fendländer wird angeführt durch einen Mann namens Arden Erenor, der behauptet, ein Nachkomme Noran Karwanders und damit ein rechtmäßiger Thronerbe zu sein.« Der Citarim ließ seinen Blick von einem zum anderen schweifen, und nicht wenige wichen dem forschenden Starren der leuchtenden blauen Augen aus. »Aufgrund dieser Behauptung wollt ihr gegen diesen Emporkömmling zu Felde ziehen. Aber ich sage euch nun, sein Anspruch ist gerechtfertigt! Er ist der leibliche Sohn Ecorims und damit der nächste noch lebende Verwandte von Noran Karwander!«
Jetzt hielt es den König nicht mehr länger auf seinem Thron. Wutentbrannt fuhr er auf und herrschte den Citarim an: »Wie könnt Ihr es wagen, ungebeten in meinem Thronsaal aufzutauchen und solche aufrührerischen Reden zu führen? Das ist Hochverrat! Ich werde Euch in Ketten legen lassen!«
»Ihr könnt tun, was immer Ihr wollt«, gab der Hohepriester zurück, »das ändert aber nichts an der Wahrhaftigkeit der göttlichen Offenbarung. Nur ein Narr rächt sich an dem Überbringer einer unliebsamen Wahrheit.«
Jorig Techel öffnete ein paar Mal den Mund, um etwas zu erwidern, doch es drang nur ein zorniges Knurren zwischen seinen Zähnen hervor. Die Augen waren blutunterlaufen, der Kopf so rot wie nach einem harten Gefecht, sein Unterkiefer bebte vor Zorn. Dennoch wusste er nicht, was er tun sollte. Am liebsten hätte er diesem dreisten Gottesdiener einfach den Hals umgedreht. In solchen Momenten sehnte er sich zurück nach der jugendlichen Unbesonnenheit von früher, als er nicht lange gefackelt und, ohne einen Gedanken an die möglichen Folgen zu verschwenden, dem aufsässigen Citpriester den Garaus gemacht hätte. Aber heute herrschte er in dem ständigen Bewusstsein,
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