Vertrau deinem Herzen
Kate einen vertrauten Stich. Aaron wollte unbedingt einen Vater haben. Das war schon immer so gewesen. Als Kleinkind war er ihr manchmal beim Einkaufen entwischt und war irgendwelchen Männern hinterhergelaufen – so wie eine Gans dem ersten Wesen folgt, das sie nach dem Schlüpfen sieht.
An der Art, wie er den Fremden nachahmte, konnte sie einen Hauch Heldenverehrung ausmachen. Soweit Kate das beurteilen konnte, war JD genau so, wie Aaron sich seinen idealen Vater vorstellte – mit seiner ausgeblichenen Hose und den derben Boots. Er hatte einen Pick-up und eine Kettensäge. Was wünschte sich ein Junge mehr?
Sie ertappte sich dabei, seine Schultern anzustarren. Sie waren breit, ohne mächtig zu sein, und er bewegte sich mit einer gewissen athletischen Leichtigkeit, die auf eine natürliche Fitness hinwies. Irgendwie hatte JD was. Wenn Kate auch nicht sagen konnte, was es war. Seine sorglose Kleiderzusammenstellung ließ auf einen Mangel an Eitelkeit schließen, aber trotzdem hielt er sich mit einer erstaunlichen Würde.
„Hallo“, rief sie und bedeutete Callie, mit ihr zu kommen. „Wie geht es dem Opfer?“
JD drehte sich zu ihr um, und ihr Herz machte einen Salto. Das war verrückt! Er war doch überhaupt nicht ihr Typ! Trotzdem konnte sie den Blick nicht abwenden. Okay, dachte sie und schaute auf seinen Kopf, dann ist es also kein Vokuhila. Nur langes Haar, wie Brad Pitt in seinen besten Filmen.
„Die Leute in der Auffangstation glauben, dass er sich erholen wird.“ Er zeigte auf seinen Pick-up. „Ich habe Ihre Kühlbox ausgewaschen.“
„Danke. JD, darf ich Ihnen Callie Evans vorstellen? Sie wird bei uns wohnen.“
Aaron hob die Augenbrauen auf beinahe komische Art, aber er sagte nichts.
„Schön, dich kennenzulernen“, lächelte JD.
Callie errötete und blickte verlegen zur Seite. Kate fragte sich, ob sie aufgrund ihrer Geschichte ein Problem mit Männern hatte.
„JD, willst du dir mal den Steg ansehen?“ Aaron war von dem Steg und dem Wasser total fasziniert. „Du auch, Callie!“
„Klar“, sagte sie. „Ist es tief genug, um hineinzuspringen?“
„Ja. Meine Cousins machen das alle naselang.“
„Und du?“
„Mhm“, verneinte Aaron mit roten Wangen, ohne sich weiter zu erklären. Kate vermutete, dass er auch gar keine Erklärung dafür gehabt hätte. Er kannte nicht die richtigen Wörter, um seine Gefühle auszudrücken. Vielleicht, nur vielleicht, dachte Kate, wird er diesen Sommer endlich schwimmen lernen.
Callie machte einen großen Bogen um den Hund. „Ein Kajak“, sagte sie und hob die Plane, die das lange, schmale Boot bedeckte. „Fährst du damit auf den See hinaus?“
„Klar, ständig!“ Aaron genoss ihre Aufmerksamkeit eindeutig. „Es ist für zwei, siehst du?“
Trotz seiner Weigerung, schwimmen zu lernen, liebte er alles, was auf dem Wasser schwamm – Schiffe, Boote, Flöße, die Fähren am Puget Sound. Vielleicht fand er sie so ungemein faszinierend, weil sie ihn dem näherbrachten, was er fürchtete.
„Vielleicht können wir mal zusammen damit rausfahren“, schlug Aaron vor.
„Natürlich werden wir zusammen rausfahren!“, versicherte ihm Kate. Sie war entschlossen, ihm einen wunderschönen Sommer zu bereiten, auch wenn seine Cousins nicht da waren.
Aaron gab ein bisschen mit dem Kajak an, das am Haus war, seit vor einigen Jahren Motorboote auf dem See verboten worden waren. Kate blieb ein wenig zurück. Sie beobachtete ihn, diesen Jungen, von dem die Lehrer sagten, er wäre ein schlechter Schüler mit mangelnder Fähigkeit zur Selbstkontrolle. Den Jungen, der jetzt so locker und lässig über die Vorzüge seines Bootes referierte.
Sie hatten noch nie zwei Fremde an einem Tag kennengelernt, fiel Kate auf. Und ganz sicherlich hatten sie noch nie eine jugendliche Ausreißerin und einen unerwartet interessanten Mann an einem Tag getroffen. Jetzt sah sie ihn neben ihrem Sohn stehen, und seine geduldige und respektvolle Art berührte sie tief im Inneren.
Die meisten Männer, die sie kennenlernte, verloren das Interesse, sobald sie feststellten, dass sie ein Kind hatte, oder wenn sie das erste Mal mit Aarons Temperament in Berührung gekommen waren. Dieser hier schien sich bisher von Aarons Geplapper nicht groß stören zu lassen. Er schien auch Callie gegenüber sehr sensibel zu sein. Er gab ihr ausreichend Platz und stellte ihr kaum Fragen.
Ein sensibler, ungeschliffener Diamant. Direkt hier am Ufer des Lake Crescent. Wer hätte das gedacht?
Du
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