Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)
Babytierchen für das, was da an ihnen vorüberglitt.
Sergios blickte sich um, was seine Gastgeber davon halten mochten. Rijo und Jona standen starr da, als wüssten sie nicht, in welche Richtung sie davonlaufen sollten, und die beiden Eingesichter hatten ihr Fell gesträubt. Fast hätte man meinen können, sie knurrten. Als Thanassatrides wieder in die Sämlingslinse schaute, sah er, was den Vilmern missfiel. Da war ein Aufruhr entstanden, ein konzentrisches Wirbeln von schwankenden Zweigen und vibrierenden Pfötchen. Die Bewegung des Hauses wurde langsamer und immer langsamer, während Wellen forschender zarter Triebe über den Rand des Balkons schwappten, die Hände des Zentraliers umspülten und dann davonstoben in ein grün quirlendes Durcheinander aufgeregter Pflanzenteile, durch das die nackten Rücken unbekannter Eidechsen zu huschen schienen. Sergios spürte, wie die Berührungen der Sprossen über seine Hände tanzten, und beinahe schien es ihm, sie wären dort besonders aktiv, wo seine Implantate mündeten.
»Sie spüren es«, sagte er leise, »sie wissen, dass dort etwas ist, was mit ihnen reden möchte, mit ihnen reden kann. Es ist nicht zu fassen, sie spüren es ...«
Die floralen Wellen wurden höher und dichter, es zwickte und zirpte in seinen Händen, reiskorngroße Saugnäpfe schnappten nach Informationen. Die Implantate meldeten unklare Signale: Es gab Nachrichten, man konnte sie nicht lesen, jetzt nicht, gleich ...
Thanassatrides wartete entzückt auf den Augenblick, in dem das Wolkengebirge zu ihm sprechen gelernt haben würde. Beinahe konnte er die ersten fremden Gedanken ahnen, die zu ihm drangen ...
Man zerrte ihn fort. Schnauzen und Hände hatten ihn ergriffen und auf den metallenen Boden zurückgezogen.
»Was denn«, schrie er empört, »lasst mich mit ihm reden!«
Wütend wollte er sich befreien, doch da saßen zwei zottige Leiber auf ihm, einer dunkelbraun, der andere in der Farbe von nassem Sand. Sie nagelten ihn fest auf einem Grund, der zu schwanken aufgehört hatte. Thanassatrides zappelte unter den Körpern der Eingesichter. Sie waren schwerer und kräftiger, als er gedacht hatte.
Jona kam in sein Blickfeld.
»Was, glaubst du, ist da gerade passiert?«, wollte er wissen.
Sergios wollte ihm eine zornentbrannte Antwort geben, als ihm auffiel, wie sie ihn ansahen. Jona, Rijo, die beiden Eingesichter, die vorsichtig vom dünnen Körper des Zentraliers herabstiegen, allesamt: Sie zeigten den Gesichtsausdruck einer Krankenschwester, die völlig überrascht die wiederkehrenden Lebenszeichen eines Todgeweihten erkennt.
»Das wollte mit mir reden », sagte er. Die Worte entwichen aus ihm wie aus einem zu straff aufgeblasenen Ballon, ließen ihn kraftlos zurück.
»Guck dir an, was da los ist«, sagte Rijo und nickte zum Fenster, während die Eingesichter sich trollten, als hätten sie Sergios‘ Leib niemals zu Boden gepresst.
Jona stützte den Zentralier, als er die paar Schritte ging. Die Sämlingslinse hatte sich in einen brodelnden Hexenkessel verwandelt. Die Sprösslinge des Monstergestrolchs schlugen um sich und brandeten in ungeordneten Wellen gegen das Rochengleiterhaus, Zweige pochten an die Türen und begehrten Einlass, Krallen kratzten am Rand der Fenster.
»Was hast du getan?«, fragte Jona.
»Du hast eine gute halbe Stunde dort draußen gesessen«, sagte Rijo. »All diese grünen Dinger, und die blaugrauen, haben an dir herumgetastet. Was auch immer du da in deinem Körper für seltsame Apparate hast, sie versuchten, sie aus dir ... herauszulecken ... es wurde irgendwie eklig.«
»Eine halbe Stunde?«
Sergios konnte es nicht glauben. Die Uhren in seinem elektronisch aufgerüsteten System waren jedoch unbestechlich. Eine halbe Stunde.
»Und das Haus ist stehen geblieben«, setzte Jona hinzu. »Wir laufen Gefahr, den Treffpunkt zu verfehlen.« Es klang nicht so, als bedauerte er es, seine Cousine länger im Haus behalten zu können. »Und wir haben keine Ahnung, warum das Haus angehalten hat.«
Sergios warf ihm einen verständnislosen Blick zu, ehe er begriff. Natürlich, an irgendwelchen Konsolen arbeiteten jetzt die emsigen Pfoten von Jona-J. Und obwohl alles in Ordnung schien, hatte die Wohnstatt irgendwo im Wolkengebirge ihre Reise gestoppt.
»Was hast du getan?«
Sergios sortierte seine dürren Knochen und erhob sich. »Ich habe meine Hypothese verifiziert.«
Die beiden Vilmer schwiegen.
»Es gibt dort etwas, das mit mir vermittels der Implantate reden
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