Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)
Geschäfte mit der Unterwelt von Atibon Legba verwickelt? Die investierten womöglich in den Ycorgan-Handel. Wenn sie das taten, dann hatten sie ihre Finger auch noch in schlimmeren Dingen ... oder sie hatten ihre Finger einfach in allem, was Gewinn abzuwerfen versprach. Will wusste, wozu sie in der Lage waren, und wunderte sich ein wenig, dass er sich noch über die Goldenen wundern konnte.
Sie verließen den Schatten der Scherbe – der unter den tiefhängenden Regenwolken sowieso nicht zu sehen war – und bogen in die Straße zum Lazarett ein. Will stellte erleichtert fest, dass niemand hektisch herumrannte und auch keine Rauchschwaden aus irgendwelchen Gebäuden aufstiegen.
»Gibt es auch Optionsscheine darauf, wie lange Vilm sich die Anwesenheit der Goldenen gefallen lässt?«, fragte er. »Ich könnte da mit ein bisschen Insiderwissen für Kursbewegungen sorgen.«
Der Goldene blickte den Vilmer verwundert an, als zweifle er daran, dass man Derartiges fragen müsse. Als wären das Selbstverständlichkeiten.
»Die gibt es, ja. Natürlich.«
Er zeichnete mit der Hand eine wacklige Kurve in die Luft. »Und ihre Kurse haben sich in den letzten Stunden bereits auf seltsame Weise bewegt.«
Darauf konnte Will nun wirklich nichts mehr sagen. Er fand den Gedanken an eine solche Parallelwelt beunruhigend; wo Planeten, Leben, Tod und Rauschgift nur die Namen von handelbaren Gütern waren. Er hätte lieber eine Flasche Vilmwhisky auf einem Tisch vor sich, und einen angetüdelten Goldenen im Sessel gegenüber.
Stattdessen stapfte er neben ihm her und war nüchtern wie ein Wolkentaucher.
»Ich hatte ja keine Ahnung, dass das alles so kompliziert ist. Ich meine, Fonds und Scheine und diesen ganzen Kram. Konkurrierende Aktionärsversammlungen. Verseuchte Informationen. Konsortien.«
Pak-46-erg warf dem Administrator einen seltsamen Blick zu und sah zwischen dem zotteligen und dem molligen Teil des Vilmers hin und her.
»Na gut«, sagte Will. »Wir vertiefen dieses Thema nicht weiter.«
Das Lazarett sah aus wie immer. Es bestand in der Hauptsache aus jenen medizinischen Modulen, die abgesetzt worden waren, nachdem die Armorica versucht hatte, die Schiffbrüchigen zu retten. Immer noch war es im Grunde genommen zu groß für einen Ort wie Vilm Village. Das Flottenkommando hatte nie in Erwägung gezogen, es wieder abzutransportieren.
Niemand versuchte, mit vorgehaltenen Waffen das Lazarett zu stürmen. Alles sah ganz normal aus. Leute, die vorübergingen, grüßten den alten dicken Mann, indem sie ihre felligen Köpfe nicken ließen; in vorbeirollenden Geländekuglern winkten andere hinter Fensterscheiben. Die feiste nackte Gestalt war ebenfalls ein gewohnter Anblick, von dem man einfach keine Notiz nahm.
Will blieb erleichtert stehen und atmete durch. Pak-46-erg schüttelte energisch den Kopf und machte eine ungeduldige Handbewegung; weiter, weiter.
Seufzend legte der Administrator die restlichen Schritte zurück und nahm sich wieder einmal vor, endlich etwas gegen die überflüssigen Pfunde zu tun. Jedes Mal, wenn er sich seine Auffrischungsbehandlungen holte, wurde er gefragt, ob er nicht zwei, drei Tage dranhängen und endlich Masse abschmelzen lassen wolle. Aber er hatte keine Zeit dafür.
Im Foyer des Lazaretts war niemand, nur eine der Maschinen fragte, welche Behandlung genau gewünscht werde. Sie hatte natürlich sofort die eintreffenden Lebewesen gemustert und festgestellt, dass keines davon krank war.
Ein Blick auf den Belegungsplan reichte, um festzustellen, wo Vincent war – in einem Raum, der sich am Ende eines langen Ganges befand. Das Zimmer lag im Halbdunkel, als erst der Goldene und danach der Administrator eintraten.
Will spürte sofort, dass etwas nicht stimmte, senkte die Schnauze zum Boden und knurrte grollend. Es roch auch seltsam.
Pak-46-erg griff sich an den Kopf, stöhnte und sackte zusammen, als hätte man in seinen Beinen gewisse Sehnen durchgeschnitten. Er kniete auf dem Boden und versuchte, mit den Händen an die Implantate zu gelangen, die sich entlang einer geschwungenen Linie über seinen linken Arm zogen. Seine Finger zitterten haltlos, und er vermochte die Hand nur in sinnlosen, kreisenden Mustern zu bewegen, offensichtlich gegen seinen Willen.
Der Administrator öffnete den Mund und das Maul, um nach Hilfe zu rufen; gerade noch rechtzeitig bemerkte er, dass zwischen den Apparaten und Vorrichtungen, die das Krankenlager umringten, jemand einen Schritt zur Seite gemacht hatte.
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