VIRALS - Nur Die Tote Kennt Die Wahrheit
beagáinín Gaeilge«, wiederholte Tempe mit einem Lachen. » Ich habe mir Französisch erobert, komme mit Spanisch ganz gut zurecht und spreche sogar ein bisschen Deutsch. Aber Gälisch ist eine komplizierte Angelegenheit.«
» Leider gibt es im Internet keine gälischen Übersetzungsprogramme«, sagte ich. » Nur Chatrooms.«
» Das überrascht mich nicht. Gälisch ist zwar eine wundervolle, jahrhundertealte Sprache, die unter der britischen Herrschaft aber immer mehr zurückgedrängt wurde. Der großen Hungersnot von 1845 fiel vor allem die irische Landbevölkerung zum Opfer, bei der das Gälische noch weit verbreitet war. Davon hat sich die Sprache nie wieder erholt.«
» Und heute spricht kaum noch jemand Gälisch?«
» Weniger als fünfzehn Prozent der irischen Bevölkerung, obwohl sich die gegenwärtige Regierung sehr dafür einsetzt, die Sprache zu bewahren. Hier in den USA gibt es kaum jemand, der das Gälische beherrscht.«
» Oh.« Meine Hoffnungen sanken.
» Ich werde mein Bestes geben.« Ich hörte elektrostatische Geräusche, als Tempe ihr Handy zurechtrückte. » Als ich ein Kind war, wohnte vorübergehend eine Cousine zweiten Grades bei uns. Sie sprach fließend Gälisch, also habe ich die Sprache gelernt, um mich mit ihr unterhalten zu können.«
» Und du erinnerst dich immer noch daran?«
» Nun, wir werden sehen. Du brauchst also eine Übersetzung?«
» Ja, ich habe da… ein Gedicht.«
» Aus einem Buch?«
» Nein«, antwortete ich. » Am Strand in der Nähe von unserem Haus ist ein Stück Keramik angeschwemmt worden. Und auf der Innenseite sind Verse zu erkennen.«
Ich hasste es, mein Idol anzulügen, aber es ging nicht anders.
» Oh, das hört sich ja sehr geheimnisvoll an. Mail mir einfach das Gedicht, dann sehe ich es mir mal an.«
» Danke, das ist großartig.«
» Nach der ganzen Plackerei des heutigen Tages wird das Gedicht eine willkommene Abwechslung sein.«
Es entstand eine kurze Pause, in der ich mit mir zurate ging.
» Ist noch etwas, Tory?«
Spontane Entscheidung.
» Weißt du irgendwas über Anne Bonny, die Freibeuterin?«
» Natürlich habe ich von ihr gehört, aber viel weiß ich nicht. Warum?«
Ich warf alle Bedenken über Bord und erzählte ihr von meinem Verdacht. Von Mary Brennan, dem Gedicht, den Gerüchten, Anne Bonny sei nach Massachusetts geflohen. Unserer ähnlichen Handschrift.
Nachdem ich meinen Bericht beendet hatte, wurde es für lange Zeit still in der Leitung.
Na super. Sie hält mich für einen Schwachkopf.
» Wow! Wer weiß? Vielleicht ist ja wirklich was dran.«
Ich bemerkte, dass ich die Luft anhielt. » Zugegeben, es hört sich etwas verrückt an, aber ich werde das Gefühl einfach nicht los, dass es da irgendeine Verbindung gibt.«
» Ich verstehe«, sagte Tempe. » Und ich bin ja schließlich auch eine Brennan, vergiss das nicht. Doch bin ich definitiv nicht mit Anne Bonny verwandt. Meine Großeltern haben Emerald Island erst nach dem Ersten Weltkrieg verlassen.«
» Schon seltsam, dass wir denselben Namen tragen, obwohl ich in einer anderen Familie aufgewachsen bin. Aber ich bin froh, dass es so ist.«
» Das zeigt, dass wir zusammengehören«, entgegnete Tempe. » Ich wünschte nur, wir hätten uns unter anderen Umständen kennengelernt.«
Tempe schwieg, vermutlich weil sie es bereute, den Tod meiner Mutter ins Spiel gebracht zu haben.
» Ich schicke das Gedicht an deine Gmail-Adresse«, sagte ich. » Es war schön, mit dir zu sprechen.«
» Und kein Zurückweichen an der Piratenfront. Ich will einen vollständigen Bericht haben, Matey!«
» Aye, Aye, Captain! Und vielen Dank!«
» Slán agus beannacht leat.«
» Was heißt das?«, fragte ich.
» Leb wohl und Gottes Segen.« Tempe kicherte. » Oder so ähnlich.«
KAPITEL 41
Nachdem ich aufgelegt hatte, ging es mir schon besser.
Ein Gespräch mit Tante Tempe lädt stets meine Batterien wieder auf.
Ein Blick auf die Uhr. Vier Uhr nachmittags. Kit würde erst in ein paar Stunden nach Hause kommen.
Nachdem ich ihr das Gedicht gemailt hatte, schickte ich den Virals eine Nachricht. Zehn Minuten später saßen wir bei uns im Wohnzimmer zusammen. Die Jungs pfiffen aus dem letzten Loch.
Shelton und Hi ließen sich auf das Sofa fallen, während Ben an der Fernbedienung herumfummelte, um irgendein Baseballspiel zu gucken. Coop hatte sich an seinem Schlafplatz zusammengerollt und die Pfoten ausgestreckt, zufrieden damit, uns lediglich im Auge zu behalten.
» Ich habe meiner
Weitere Kostenlose Bücher