Voll gebissen
doch da wurde ich schon unterbrochen.
„Soweit ich weiß, hast du Liam abserviert.“
Dabei sprach sie das „du“ so aus, als wäre es absolut unglaublich, dass so jemand wie ich (auf deutsch: so e ine kleine, hässliche, eklige Kröte) ihren fantastischen Liam vor den Kopf gestoßen hatte. Womit sie ja auch zum Teil recht hatte. Was hatte ich mir nur dabei gedacht?
Ich schaute betreten zu Boden, weil ich nicht richtig wusste, was ich antworten sollte. Noch eine Person kam zur Haustür. Ich schaute zögerlich auf und meine Gesichtszüge erhellten sich wiede r. Es war Harry. Gott sei Dank!
„Du tust i hm Unrecht, Emma. Der Junge ist fix und fertig. Ich denke, ihr solltet euch mal aussprechen.“
Ich nickte schüchtern. Wenn ich noch kein schlechtes Gewissen hatte, dann spätestens jetzt. So langsam machte ich mir Gedanken, warum jeder außer mir so von Liams Unschuld überzeugt war. Hatte ich tatsächlich einen Fehler gemacht?
„Du findest ihn bei den Blackstone Hills. Wir haben dort eine Hütte in den Wäldern. Da machen wi r immer Urlaub.“
Ich fragte nach dem genauen Weg dorthin, dann wandte ich mich zum Gehen.
„Emma?“
Ich drehte mich nochmal um. Harry sah irgendwie besorgt aus. „Du solltest besser erst morgen dorthin fahren.“
Oh … Ich schien ja einen gefestigten Eindruck zu machen, dass er mir nicht mal zutraute, in meinem jetzigen Zustand Auto zu fahren. Doch ich wollte mich nicht mit ihm anlegen, also nickte ich brav. Ich konnte sowieso nichts mehr sagen. Ich war wie betäubt. Außerdem hatte sich ein dicker Kloß in meinem Hals breitgemacht, der das Antworten nicht gerade erleichtern würde.
Ich konnte es nicht fassen, dass Liam wirklich weggegangen war. Wie konnte er mich nur so im Stich lassen? Ich lief im Laufschritt nach Hause. Ich wollte zu Liam und die Sache mit ihm klären.
Zu Hause angekommen, war ich zwar mehr tot als lebe ndig, aber nicht tot genug, um nicht sofort meine Sachen packen zu können, um zu Liam zu fahren. Ich machte mir einen kleinen Rucksack zurecht und schwang mich auf Hugos Fahrersitz. Meiner Mom hatte ich knapp erzählt, dass ich Liam besuchen wollte und sie war einverstanden. Glücklicherweise wurde ich nicht von meinem Dad erwischt und konnte unbemerkt verschwinden. Meine Mutter würde es ihm schon beibringen.
Es dauerte vier Stunden mit dem Auto, bis ich in dem Gebirge angekommen war. Ich hielt auf einem geschotterten Parkplatz, den Harry mir beschrieben hatte und sah mich um, da entdeckte ich Liams Wagen und war plötzlich ganz aufgeregt. Ich lief den kleinen Waldweg entlang, von dem Harry ebenfalls erzählt hatte und stand 10 Minuten später vor einer Holzhütte.
Nanu? Liams Dad hatte doch gesagt, der Fußmarsch würde mindestens 3 Stunden dauern?
Ich klopfte an die Holzhütte und wurde hereingebeten.
„Liam?“ , rief ich, doch die Hütte sah von innen eher wie ein Geschäft aus und ein mir fremder Mensch stand hinter dem Verkaufstresen. „Ist Liam hier?“, fragte ich.
Der Mann schüttelte den Kopf.
Mensch! Was für ein Ungeheuer von Mann! Der Typ war riesengroß, hatte rote Haare und einen roten Vollbart. Wenn der durch den Wald laufen würde, könnte man ihn glatt für einen Grizzly halten.
„Liam wohnt hier nicht. Den findest du weiter nördlich“, brummte der Bärenmann mich an.
Als er keine Anstalten machte, weiterzuerzählen, hakte ich nach: „Und wo muss ich da lang?“
„ Das sind noch gut zwei Stunden zu Fuß“, war seine Antwort.
Zwei Stunden nur? Super! „Und wo genau muss ich lang?“, wiederholte ich.
Der Mann sah mich genervt an. Seine Augen blickten unfreundlich unter seinen buschigen (ebenfalls roten) Augenbrauen hervor. „Den Pfad, den du hergekommen bist, weiter den Berg hinauf“, antwortete er knapp.
„Okay, danke“, sagte ich und wollte gehen.
„Kleines?“
Ich drehte den Kopf in die Richtung des Bären. Ähm, tschuldigung, Mannes. „Ja bitte?“
„Du willst doch jetzt nicht mehr losgehen, oder?“
„Ähm … klar, warum nicht?“
„Das schaffst du nicht mehr vor der Dunkelheit . Vergiss nicht, du bist hier mitten im Niemandsland. Wir haben hier wilde Tiere.“
Ic h schaute auf die Uhr. Doch, das würde ich noch schaffen. Zwei Stunden Fußmarsch waren definitiv noch drin, bevor es dunkel wurde.
„Doch, d as klappt noch“, entgegnete ich und wollte gehen, da kam der Bärenmann mit großen Schritten hinter dem Tresen hervor. Seine Schuhe klackten schwer auf dem Holzboden und er packte mich
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