Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen
andrehen, da hat er ein bißchen erzählt… Seine Großmutter ist gestorben, und er erbt ihr Haus. Der Großvater war Kunstmaler – Sonnenuntergang in der Lüneburger Heide und so; außerdem hat er kopiert, was nicht niet- und nagelfest war… Die Bilder hat Dreyer auch geerbt. Deswegen kam er, wissen Sie. Weil er mir eines verkaufen wollte…“
Wir unterhielten uns noch ein Weilchen über dies und jenes, insbesondere über Nedomanskis Eigentümlichkeiten, ohne daß sich das Bild, das wir bisher von ihm und von ihr gewonnen hatten, wesentlich verändert hätte.
Plötzlich, wir waren schon aufgestanden, um uns zu verabschieden, zog Borkenhagen ein Goldkettchen aus der Hosentasche, an dem eine Kennedy-Münze hing. „Kennen Sie das?“
Wurde sie blaß oder kam es mir nur so vor?
„Auf der Fassung steht: Für Tina von Max.“
„Ja, die Kette gehört mir“, sagte sie leise.
„Ich habe sie neben Nedomanskis Bett gefunden in jener Nacht…“ Er hielt ihr das Kettchen hin: „Bitte sehr!“
Sie nahm sie mit einer automatenhaften Bewegung.
Damit schließt das erste Kapitel, das ich selber geschrieben habe. Eine Frage ergab sich an diesem Punkt: Ist eine so zierliche Person wie diese Martina überhaupt physisch in der Lage, einen Mann wie Nedomanski mit einem Kissen zu ersticken?
Um Mißverständnisse zu vermeiden: Es bestand zu diesem Zeitpunkt kein Verdacht gegen Martina Dahms, der schwerer oder begründeter gewesen wäre als der gegen andere Personen aus der Umgebung des Toten (denn das Kettchen konnte sie nach Lage der Dinge sehr wohl bei einer anderen Gelegenheit verloren haben). Genauer gesagt: es bestand eigentlich überhaupt noch kein Verdacht (wennschon sich die Polizei auf den einstweilen unbekannten Einbrecher konzentrierte). Für uns, für Borkenhagen und mich, war es jedoch wichtig, jeden Interviewpartner unter dem Aspekt zu sehen: Kommt er (oder sie) als Täter in Betracht?
Nun ja; Recherchen ergaben, daß Martina Dahms jahrelang der Frauenriege der Berliner Turnerschaft angehört und am Stufenbarren eine Wertung von 9,05 erreicht hat; die Frage ist also beantwortet, und zwar positiv. (Nebenbei bemerkt: Maria Nedomanski spielt Tennis und gilt als überdurchschnittlich gute Schwimmerin…)
Also weiter; was haben wir denn noch… Drei DIN-A4-Seiten habe ich nach den Beisetzungsfeierlichkeiten vollgetippt… Weg damit. Wenn die Leute Schwulst reden, kann man hinterher nur Schwulst aufschreiben. – Hier, was ist das? MILLIONÄR AM GEBURTSTAG ERMORDET… DER TOD ALS LETZTER PARTYGAST… Ach du lieber Gott! Aus der nacht-depesche! Warum hab ich das aufgehoben? Steht da was drin?
Während nebenan frohgestimmte Gäste seinen 57. Geburtstag … ist der bekannte Gründer und Hauptteilhaber der NEDO-Werke, Max Nedomanski, gestern abend ermordet worden… Ganz interessant: Hier sind bereits alle anderen Möglichkeiten beiseite gelassen – und das hätten die nicht so geschrieben, wenn sie’s nicht von der Kripo hätten. – Weiter: Dringend der Tat verdächtig ist ein Mann, der gegen 22 Uhr 30 in die Villa in der Badenallee 124 eingestiegen war, um den allgemeinen Trubel auszunutzen und sich ungestört … Wissen wir ja. Nach dem opulenten Festessen erlitt Nedomanski einen leichten Herzanfall. Ein anwesender Arzt… Blablabla… nach einiger Zeit nach dem Patienten sah, konnte er nur noch Nedomanskis Tod feststellen. Wie alle anderen auch, glaubte er zu diesem Zeitpunkt, N. sei eines natürlichen Todes… Wenig später… Kurzschluß… In dem nun entstehenden Durcheinander wurde der Einbrecher aufgestöbert, der sich aber der Festnahme entziehen konnte… Wissen wir doch alles längst! – Am nächsten Morgen ging Dr. Hartmann zur Kriminalpolizei und äußerte den Verdacht, daß N. möglicherweise ermordet sein könnte… Ach, so haben sie’s gedreht! Und immer noch ,Dr. Hartmann’… Der mutmaßliche Täter… wie folgt beschrieben werden: Etwa 30 Jahre alt, knapp mittelgroß, schmächtig, hageres Gesicht, blondes Haar, Hände mit stark hervortretenden Adern, auffallender Adamsapfel… Kriminalpolizei äußert… Vermutung, daß die Tat auf das Konto des sogenannten ,Party-Schrecks’ geht, der in letzter Zeit mehrfach… Nein, das hätte ich wirklich nicht aufzuheben brauchen. Daß die Polizei hier bereits eindeutig auf Mord und auf den Einbrecher als mutmaßlichen Täter tippt, ist nichts Neues… Ach so, ja: Da ist noch die Belohnung erwähnt, die Maria Nedomanski für die Ergreifung
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