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Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen

Titel: Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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des Täters ausgesetzt hat – 10000 Mark. Ganz schön üppig. Kein Wunder, daß der wackere Borkenhagen sich spornstreichs auf die Suche nach diesem Party-Schreck machte – er hatte ihn schließlich als einziger von Angesicht zu Angesicht gesehen… Wo ist denn… ach hier: Borkenhagens Bericht über seine Verbrecherjagd.
    Borkenhagen zieht durch die Kneipen an der Potsdamer Straße. Es ist Donnerstag, kurz nach 18 Uhr. Alle Tische sind besetzt. Kaum noch Platz am Tresen. Männer, die von der Arbeit kommen. Männer, die zur Spätschicht wollen. Dazwischen Wermutbrüder, Arbeitslose, Rocker, Zuhälter, Kriminelle, Nutten und grell geschminkte Frauen, die ihrerseits dafür bezahlen… Borkenhagen sucht nach Pokerface. So hat er den Einbrecher getauft. Er glaubt daran, daß Nedomanski von Pokerface ermordet worden ist.
    Er sitzt auf einem Barhocker an der Theke. Umdrehen kann er sich kaum. Links ein Maurer. Er riecht nach Kalk, nach Sand, nach Beton. Rechts zwei Automechaniker. Sie riechen nach Öl.
    „Akkord is Mord! Kalle kann dir ‘n Lied von singen. Kreislaufstörungen, drei Wochen krank jeschrieben. Wer weeß, ob der noch mal uff de Beene kommt.“
    „Sterben müssen wa alle mal!“
    „Tolle Biene! ‘n Wagen – ick kann da sar’n! Alfa-Romeo Giulia Super, rot, Baujahr 69… Vergaserbrand. Ich hab ‘n aba wieda hinjekricht.“
    „Haste da denn mit ihr vaabredet?“
    „Bei der harn wir nischt zu melden; die klingelt bloß, wenn man ihr hundert Emm innen Schlitz steckt.“
    Borkenhagen merkt, daß er auf dem falschen Dampfer sitzt. Keine Spur von Pokerface. Das ist schon die dritte Kneipe. Er versucht, sich in Pokerface hineinzuversetzen.
    „Noch ‘n Pils?“
    „Hm…“
    Pokerface wird sich vor der Kripo fürchten, und vor mir. Ich kann ihn identifizieren, ich allein. Die Zeichnung bei der Mordkommission ist mißglückt, so sieht Pokerface nicht aus. Ist er der Mörder, ist er es nicht? Egal; er wird Angst haben, daß sie ihn zum Mörder machen – so oder so. Den Partygästen wird keiner den Mord in die Schuhe schieben: sind ja alles hohe Tiere. Es wird an ihm hängenbleiben… Und wenn er ‘s nicht war? Vielleicht hat er den wirklichen Mörder gesehen, vielleicht kann er ihn wiedererkennen… Er kann ihn auch erpressen. Man müßte ihm sagen, daß er den Mann erpressen kann. Der macht dann einen Fehler, und die Kripo kann zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen…
    Ich muß Pokerface finden! denkt Borkenhagen. Die Tatsache, daß die Stadt ein paar Millionen Einwohner hat, spricht noch nicht dagegen, daß er mir über den Weg läuft. Ich muß ihn suchen. Die Chance ist nicht sehr groß, daß ich ihn erwische – aber wenn ich ihn nicht suche, erwische ich ihn bestimmt nicht!
    Er zahlt und tritt auf die Straße hinaus. Ein Bus dröhnt vorüber. Hält vor dem Sportpalast. Teenager und Twens quirlen heraus. Miniröcke, daß einem der Schweiß ausbricht. Drinnen wird irgendsoein schwachsinniger Heini singen. Und hinterher mit einem von diesen Girls bumsen. Schlagersänger müßte man sein. Also, wenn ich Schlagersänger wäre…
    Da – das ist doch… Pokerface!
    Er läuft hinter einem schlanken Mann hinterher. Weißer Helanca-Pullover, dunkelblaue Hose. Sonnenbrille auf… Jetzt hat er ihn eingeholt, ist auf gleicher Höhe, schielt nach links…
    Scheiße.
    Er bleibt vor einem Schaufenster stehen und merkt, daß er guckt. Ruhig atmen! Er schaut durch die Scheibe. Farbfernseher gibt es hier, und…
    Moment mal!
    Der Kerl da im kalkgrauen Anzug – den hat er doch schon mindestens dreimal gesehen. Der schleicht doch schon die ganze Zeit hier in der Gegend rum… Sieht aus wie Erich Ollenhauer… Ollenhauer verschwindet in einem Hausflur.
    Ob Pokerface einen seiner Freunde nach ihm, Borkenhagen, suchen läßt? Kann doch sein. Die sind ja auch nicht auf den Kopf gefallen.
    Er ißt an einem Kiosk eine Currywurst, aber Ollenhauer bleibt verschwunden.
    „’tschuldigung, haben Sie mal Feuer?“
    Borkenhagen fährt herum. Ein hagerer Mann steht hinter ihm, vielleicht dreißig. Er ist nicht rasiert; er sieht irgendwie gefährlich aus. Heimtückische braune Augen.
    „Moment.“ Borkenhagen fummelt in seiner linken Jackettasche herum. Seine Hände zittern etwas. Er findet keine Streichhölzer. „Tut mir leid…“
    Der Hagere geht weiter.
    Borkenhagen wischt sich den Schweiß von der Stirn. Dann spießt er das letzte Stückchen Currywurst auf und kaut es langsam. Es kaut sich wie Gummi.
    Eine Weile später

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