Vorkosigan 11 Spiegeltanz
und beobachtete ihn, während er über ihm schwebte.
Die chirurgischen Instrumente waren in Killers Hand fast so brauchbar wie ein Satz elektronischer Werkzeuge, da sie reichlich Zeit hatten und das Handflächenschloß nie wieder würde funktionieren müssen. Lord Mark beobachtete träumerisch, wie Killer die Sensorfläche aus der Wand löste, hier berührte, dort abschnitt.
Schließlich leuchtete die Kontrollanzeige an der Wand auf. Aha, murmelte Killer stolz.
Oje, sagten die übrigen. Das Display projizierte ein kleines leuchtendes Quadrat.
Es verlangt einen Code-Schlüssel, sagte Killer verzweifelt. Seine Angst, in der Falle zu sitzen, beschleunigte ihren Herzschlag. Jauls 622
schwache Zurückhaltung lockerte sich; elektrische Stöße des Schmerzes durchzuckten sie.
Wartet, sagte Lord Mark. Falls sie einen Code-Schlüssel brauchten, dann Ryoval ebenfalls.
Baron Ryoval hat keinen Nachfolger. Ryoval hatte keinen Stellvertreter, keinen trainierten Ersatzmann. Er hielt all seine unterdrückten Untergebenen in getrennten Kommunikationskanälen. Das Haus Ryoval bestand aus Baron Ryoval und seinen Sklaven. Punktum. Deshalb wuchs das Haus Ryoval auch nicht.
Ryoval delegierte keine Autorität, niemals.
Deshalb hatte Ryoval keinen Platz und keine getreuen Untergebenen, bei denen er seine privaten Code-Schlüssel hinterlassen konnte. Er mußte sie immer mit sich tragen. Die ganze Zeit.
Die Schwarze Bande der anderen wimmerte, als Lord Mark
kehrtmachte und ins Wohnzimmer zurückkehrte. Mark ignorierte sie. Das ist jetzt mein Job.
Er drehte Ryovals Leiche auf den Rücken und durchsuchte sie methodisch von Kopf bis Fuß, bis auf die Haut und noch tiefer. Er ließ keine Möglichkeit aus, nicht einmal die Zähne. Er lehnte sich unbequem zurück, der ausladende Bauch schmerzte, der verstauchte Rücken brannte. Sein Schmerzpegel stieg an, während er sich reintegrierte, was den Vorgang sehr zögerlich machte. Der Code-Schlüssel muß hier sein. Er muß hier irgendwo sein.
Hau ab, hau ab, hau ab, schnatterte die Schwarze Bande bemerkenswert einstimmig.
Haltet die Klappe und laßt mich nachdenken! Er drehte Ryovals rechte Hand um. Ein Ring mit einem flachen schwarzen Stein schimmerte im Licht …
Er lachte laut auf.
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Furchtsam schluckte er das Lachen wieder hinunter und blickte sich um. Anscheinend funktionierte die Schallisolierung des Barons. Der Ring wollte nicht abgehen. Steckte er fest? War er an den Knochen genietet? Mark schnitt mit dem Laserbohrer Ryovals rechte Hand ab. Der Laser kauterisierte das Handgelenk sofort, so daß kaum Blut austrat. Schön. Langsam hinkte er unter Schmerzen zurück zum Schlafzimmerschrank und starrte auf das kleine leuchtende Quadrat, das genau die Größe des Ringsteins hatte.
Wo ist oben? Würde eine falsche Drehung einen Alarm auslösen?
Lord Mark ahmte in einer Pantomime nach, wie Baron Ryoval wohl in Eile vorgegangen wäre. Auf das Handflächenschloß klatschen, die Hand umdrehen und den Ringstein in die Code-Matrix schieben … »So herum«, flüsterte er.
Die Tür glitt zur Seite und gab den Weg zu einem privaten Liftrohr frei. Es erstreckte sich etwa zwanzig Meter nach oben.
Seine Antigrav-Steuersensoren leuchteten: grün für aufwärts, rot für abwärts. Lord Mark und Killer blickte sich um. Keine Verteidigungsvorrichtungen zu sehen, wie etwa ein Wirrfeld-Generator …
Ein schwacher Luftzug brachte von oben den Geruch frischer Luft mit sich. Los! schrien Schling und Grunz und Jaul.
Lord Mark stand mit gespreizten Beinen schwerfällig da, schaute und ließ sich nicht drängen. Hier gibt es keine Sicherheitsleiter, sagte er schließlich.
Was also?
Was – also?
Killer sank zurück, brachte die übrigen zum Schweigen und wartete respektvoll.
Ich möchte eine Sicherheitsleiter haben, murmelte Lord Mark verdrossen. Er machte kehrt und wanderte wieder durch Ryovals 624
Räume. Dabei suchte er nach Kleidungsstücken. Es gab keine große Auswahl. Hier war offensichtlich nicht Ryovals Hauptwohnsitz. Nur eine Privatsuite. Die Kleider waren alle zu lang und nicht weit genug. Die Hosen waren unmöglich. Doch ein weiches Strickhemd dehnte sich über seine wunde Haut. Eine weite Jacke, die er offen ließ, bot noch etwas mehr Schutz. Um seine Lenden wickelte er einen Sarong im betanischen Stil, der hier als Badekleidung vorgesehen war. An die Füße ein Paar Hausschuhe – der am linken saß locker, der am angeschwollenen, gebrochenen rechten Fuß eng. Mark suchte nach
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