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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Turmfalke. Ihr Blick war zwischen Sonnenjäger und Wolkenmädchen hin und her geglitten. Vielleicht fühlte sie ihr Zwiegespräch, obwohl sie es nicht hören konnte.
    Er antwortete: »Ich glaube, ich verstehe nun endlich, warum Mammut-Oben uns zusammengebracht hat.«
    Melisse zog sich die Decken enger um den Hals und blickte auf den ihn umgebenden Eichen- und Kiefernwald. Was für ein merkwürdiger Platz. Mutter Ozean lebte und atmete, sie war immer in Bewegung, sang immer; das Schweigen und die Reglosigkeit der Berge dagegen erinnerten ihn an den Tod. Auf den Bäumen und auf dem Gras lag glitzernder Reif. Die Kälte des Nachtwinds biß einem tief in die Haut.
    Stapel von Fellen ließen die Stellen erkennen, wo die anderen Leute vom Otter-Klan schliefen.
    Melisse hatte Klebkraut erlaubt, den Platz für das Dorf auszuwählen, dies aber sofort bereut, als der alte Träumer auf diese mit Bäumen bestandene Bergkuppe gezeigt hatte. Die Leute waren so erschöpft gewesen, daß sie einfach ihre Felle auf den Boden geworfen hatten und in tiefen Schlaf versunken waren.
    Aber was war das für ein Platz für ein Dorf. Die Hälfte der Bäume war vom Blitzschlag zersplittert.
    Und wo war das Wasser? Sie würden einen halben Tag lang wandern müssen, um zu einem Fluß zu kommen, der auch nur ein paar Fische hatte. Im Sommer, wenn die Trockenheit kam, würden sie entweder ihre ganze Zeit damit verbringen, Wasser heranzuschaffen, oder vertrocknen und weggeblasen werden wie Staub. Es war ein trostloser Platz. Hier, auf dieser vom Wind umbrausten Hügelkuppe, würde es nur wenig jagdbares Wild geben. Was sollten sie nach Klebkrauts Meinung wohl essen? Gras und Zweige?
    Melisse stieß einen müden Seufzer aus. Klebkraut hatte sich verändert. Er konnte nicht den Finger genau auf die Stelle legen, aber der Mann war bedrohlich geworden. Beinahe unheimlich. Hatte er sich früher nur in lästigem Geschwätz ergangen, befahl er jetzt mit klarer, weittragender Stimme. Seine Gesten, die früher unverschämt und unsicher gewesen waren, strahlten nun ein beunruhigendes Selbstvertrauen aus. Jeder Wink seiner Hand ließ eine Drohung erkennen.
    Ich bin verärgert und besorgt. Das ist alles.
    Als sie höher und immer höher in die Berge gestiegen waren, hatte Melisse begonnen, tief im Herzen um Mutter Ozean zu trauern. Er fühlte sich wie ein zu früh aus dem Mutterschoß gerissenes Kind. Der Herzschlag der Wellen fehlte ihm. Mit wem würde die Mutter nun sprechen, da er nicht mehr hier war? Würde sie sich ohne ihn einsam fühlen?
    Nicht halb so einsam wie du, alter Narr. Du hättest einfach Klebkraut ganz offen einen Lügner nennen und dann mit der Suche nach einem guten Platz für das Dorf fortfahren sollen.
    Doch dann wäre das Dorf in zwei Teile zerbrochen, und diesen Gedanken konnte er nicht ertragen.
    Falsche Träumer hielten sich niemals lange, obwohl er zugeben mußte, daß ihre Anhänger immer treuer zu sein schienen als normale, denkende Menschen. Er betete, daß die Leute zur Vernunft kommen würden, bevor das Dorf schließlich auseinanderbrach. Aber selbst wenn es soweit kam, würden sie zurückkommen. Er hatte das schon früher erlebt: das Anwachsen der Gefolgschaft eines Träumers, die Leute, die wie ausgehungert zu ihm hinströmten, und dann der plötzliche Sturz des Helden. Wenn die Menschen den Glauben verloren hatten, kamen sie jammernd und sich die Haare raufend zurück, erklärten, daß sie hereingelegt worden seien, und baten ihre alten Klanmitglieder, sie wieder aufzunehmen.
    Aber der Preis dafür war hoch. Wenn einmal solche Risse in der Familie entstanden waren, wuchsen sie nie mehr richtig zusammen.
    Ein Stückchen weiter schlief Berufkraut mit auf den Arm gelegtem Kopf. Das junge Gesicht war halb von schwarzem Haar verdeckt, doch Melisse konnte ein geschlossenes Auge und die Himmelfahrtsnase seines Enkels sehen. Berufkraut hatte einen ernsten Zug um den Mund, als träumte er von etwas Beängstigendem.
    Oh, wie hast du dich verändert, mein Enkel. Berufkraut war von einem Tag auf den anderen erwachsen geworden. Melisse war die Veränderung zum ersten Mal aufgefallen, als Berufkraut mit Sonnenjäger zurückgekehrt war. Aber seitdem war sein Enkel auch immer reifer geworden. Was hatte der Träumer ihm nur gesagt, daß Berufkraut das Leben plötzlich so tiefgründig betrachtete, daß er von einem Jungen zum Mann geworden war? Niemand sonst erkannte die neue Position seines Enkels, weil Berufkraut noch keine Vision gesucht und

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