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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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mit mir gegangen«, sagte Bisesa sibyllinisch. »Aber sie haben ihn zurückgeschickt.«
    »Als Sie fort waren, gab es nichts mehr, was ihn noch hier in Babylon gehalten hätte.« Grove schaute Emeline unbehaglich an. »Er hat sich auf die Suche nach seinen Leuten gemacht.«
    »Chicago.«
    »Ja. Es dauerte ein paar Jahre, bis Alexanders Leute - mit Caseys Hilfe - ein Segelschiff gebaut hatten, das in der Lage war, den Atlantik zu überqueren. Aber Josh war auf dem ersten Schiff.«
    »Ich war seine Frau«, sagte Emeline.
    »Aha«, sagte Bisesa. »War?«

    Emeline erzählte ihr eine Kurzfassung von Joshs Leben, wie er starb und vom Vermächtnis, das er seinen Söhnen hinterließ.
    Bisesa hörte aufmerksam zu. »Ich weiß nicht, ob Ihnen das gefällt«, sagte sie. »Als ich wieder zu Hause war, habe ich nach Josh recherchiert. Ich fragte Aristoteles - ich meine, ich befragte die Archive. Und ich habe Joshs Platz in der Geschichte gefunden.«
    Die »Kopie« des auf der Erde zurückgelassenen Josh hatte um 1885 gelebt. Dieser Josh war von Amors Pfeil getroffen worden und hatte im Alter von fünfunddreißig eine Bostoner Katholikin geheiratet, die ihm zwei Söhne gebar - genau zu der Zeit, als Emeline ihm Söhne auf Mir gebar. Doch dieser Josh kam als Mittfünfziger ums Leben, im blutgetränkten Schlamm von Passchendaele; er war Kriegsberichterstatter in einem anderen Krieg, einem großen Weltkrieg, von dem Emeline nie gehört hatte.
    Emeline gefiel wirklich nicht, was sie da hörte. Sie empfand es irgendwie als eine Schmähung ihres Josh, diese abweichende Version von ihm zu hören.
    Sie unterhielten sich noch eine Zeit lang, über gekappte Geschichtsverläufe, über den Klimawandel auf Mir, über ein neues Troja und ein Weltreich. Grove fragte Bisesa, ob sie Myra, ihre Tochter, gefunden hätte. Bisesa bestätigte das und sagte ihm, dass sie sogar schon eine Enkeltochter hätte. Aber sie schien wehmütig und bedrückt zu sein. Die ganze Situation musste höchst unerfreulich für sie sein.
    Emeline wusste wenig zu sagen. Sie versuchte, die Stimmung der Leute einzuschätzen, die sich miteinander unterhielten und sich an diese neue fremdartige Situation anzupassen versuchten. Abdi und Ben, nach der Diskontinuität geboren, waren neugierig und hörten staunend und mit großen Augen zu. Doch Grove und Emeline selbst, und vielleicht auch Bisesa, waren eher besorgt. Die Jungen verstanden im Gegensatz zu den Älteren, die die Diskontinuität miterlebt hatten, nicht,
dass nichts auf der Welt von Dauer war - und schon gar nicht, dass man die Zeit nach Belieben zerreißen und wieder flicken konnte. Wer so etwas einmal erlebt hatte, vergaß es natürlich nie mehr.
    Es gab einen Tumult an der Tür.
     
    Abdikadir, der mit den Gepflogenheiten am Hofe von Alexander vertraut war, stand erschrocken auf.
    Ein Mann betrat den Raum in Begleitung von zwei nachgeordnet wirkenden Personen. Abdikadir erwies diesem Mann seine Ehrerbietung; er warf sich mit ausgestreckten Armen und dem Gesicht nach unten auf den Boden.
    Der Neuankömmling trug eine wallende Robe aus einem edlen purpurrot gefärbten Stoff; er war kleiner als alle anderen Anwesenden, strahlte jedoch eine natürliche Autorität aus. Er war kahl bis auf silberne Haarstoppel. Emeline schätzte ihn auf siebzig, aber seine runzlige Haut war gründlich eingeölt; durch den Glanz wirkte er jünger.
    Bisesas Augen weiteten sich. »Sekretär Eumenes.«
    Der Mann mit seinem kalten Gesichtsausdruck lächelte berechnend. »Ich trage den Titel ›Chiliarch‹ bereits seit zwanzig Jahren oder länger.« Sein Englisch war fließend, aber gestelzt und hatte den Hauch eines britischen Akzents.
    »Chiliarch«, sagte Bisesa. »Das Amt, das Hephaistion früher innehatte. Sie sind höher aufgestiegen als jeder Mensch außer dem König, Eumenes von Cardia.«
    »Nicht schlecht für einen Fremdling.«
    »Ich hätte wohl mit Ihnen rechnen müssen«, sagte Bisesa. »Wenn schon sonst mit niemandem, dann auf jeden Fall mit Ihnen.«
    »Genauso, wie ich immer mit Euch gerechnet habe.«
    »Herr Chiliarch«, stotterte Abdikadir aus seiner Bauchlage auf dem Boden. »Ich habe nach Euch schicken lassen, ich habe Läufer ausgesandt in dem Moment, als es geschah - das Auge - die Rückkehr von Bisesa Dutt - genauso, wie Ihr es befohlen
hattet - wenn es Verzögerungen gab, entschuldige ich mich, und …«
    »Schweig still, Junge. Und steh auf. Ich kam, als ich bereit war. Ob du es glaubst oder nicht, es gibt Dinge in

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