Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
Vom Netzwerk:
Luxton sei ein tapferer und vorbildlicher Soldat gewesen, der seine Pflichten aufs Äußerste erfüllt habe, sodass die Armee stolz auf ihn sei; dies sei für alle ein herber Schlag.
    Jacks spontanes Gefühl, dass er gleich verhaftet würde oder jemand ihm Befehle zubrüllen würde, war schnell verflogen, dennoch kam es ihm so vor, obwohl
er
doch den Besucher hereingelassen und seiner Frau vorgestellt hatte, als wäre Major Richards derjenige, der ihn begrüßte und in seine Welt hereinbat. Alles war irgendwie verkehrt herum.
    Erst als Major Richards sich gesetzt und seine Mütze sorgfältig auf den Stuhl neben sich gelegt hatte, während er die Ledermappe auf den Knien behielt und Ellies Angebot einer Tasse Tee freundlich annahm, entspannte sich die Situation, falls eine solche Situation sich überhaupt entspannen kann. Ohne seine Mütze sah Major Richards gar nicht so einschüchternd aus.
    Major Richards, der sie beide aufmerksam ansah und mit seinem Blick regelmäßig von einem zum anderen schweifte, wiederholte abermals, dass das Bataillon die Dinge gern so handhabte. Er entschuldigte sich dafür, dass der Brief sie auf so umständlichem Weg und mit Verspätung erreicht hatte. Er entschuldigte sich auch (obwohler nichts dafür konnte), dass dieser Brief überhaupt nötig war. In den meisten Fällen werde die Nachricht, die traurige Nachricht, direkt, schnell und persönlich überbracht. Es gab, wie er es nannte, »Militär-Familien«. Jack begriff, dass er und Ellie, falls sie denn eine Familie waren, keine »Militär-Familie« waren. In anderen Fällen, hatte Major Richards erklärt, sei es nur klug, solche Fahrten, die überflüssig oder unpraktisch waren, zu vermeiden. Was nun seine Fahrt hierher betraf (da Ellie sich freundlich erkundigt habe), so sei sie recht kurz gewesen   – nicht, dass Kürze von Bedeutung wäre: von einem Ort in der Nähe von Salisbury in Wiltshire zur Isle of Wight.
     
    Und auch keine unangenehme Fahrt, hätte Major Richards hinzufügen können, wenn die Umstände andere gewesen wären. Er hätte sich beifällig über den in der Tat sehr angenehmen Ort äußern können, an dem sie sich befanden. Den schönen Blick, selbst an einem grauen Tag wie diesem. Als er das Auto abstellte, hatte er die Wohnwagen unten auf dem Platz gesehen, in ordentlichen Reihen.
     
    Er musterte Jack und Ellie aufmerksam, als müsste er sich die Erlaubnis, fortzufahren, stillschweigend bestätigen, dann zog er den Reißverschluss der Ledermappe auf. Er sagte, Corporal Luxton sei, wie in dem Brief vermerkt, am 4.   November gegen fünfzehn Uhr Ortszeit gefallen. Dazu weitere Angaben zu machen, sei ihm nicht möglich   – da er ja in England stationiert sei   –, aber er könne bestätigen, dass Corporal Luxton sofort tot gewesen sei, im aktiven Einsatz an der Front gefallen, unddass er, den guten Dienstberichten zufolge, zweifellos in den Rang des Sergeanten befördert worden wäre. Er sei zum Scharfschützen ausgebildet worden   – habe selbst Scharfschützen ausgebildet   –, sei aber zu Tode gekommen, als durch das gepanzerte Fahrzeug, in dem er gesessen hatte, eine Bombe mit gewaltiger Sprengkraft ausgelöst worden sei. Zwei weitere Soldaten seiner Abteilung seien getötet worden und zwei verwundet, davon einer schwer. Es sei ein sehr ernster Zwischenfall und ein großer Verlust. Dennoch, dies seien Dinge, die Soldaten im Irak jeden Tag zustoßen konnten. Major Richards machte eine kleine Pause, sagte aber nicht: »Haben Sie noch Fragen?« Dann nahm er einen Stift und eins der Dokumente aus der Mappe und sagte, wobei er im gleichen Moment die Bereitschaft signalisierte, diese einfachen Handlungen falls nötig zurückzunehmen oder abzuwandeln, es tue ihm leid, dass er zu diesem Zeitpunkt solche Informationen erfragen müsse, aber es gebe bestimmte Dinge, die der Bestätigung bedurften.
    Nämlich dass Corporal Luxton nicht verheiratet war.
    »Nein«, sagte Jack, obwohl er es nicht wissen konnte.
    Keine Kinder hatte?
    »Nein«, sagte Jack wieder, obwohl er auch hätte sagen können: »Nicht, dass ich wüsste.«
    Andere in seiner Sorgepflicht?
    »Nein«, sagte Jack.
    Eltern?
    Jack kam es so vor, als habe Major Richards diese Frage verzögert gestellt, möglicherweise aus einem Wissen oder einer bestimmten Absicht heraus. Als wäre es vielleicht sogar eine Fangfrage.
    »Tot«, sagte Jack. Zweifelsfrei die richtige und schnellste Antwort, aber das Wort kam so merkwürdig und mit einem Echo aus seinem

Weitere Kostenlose Bücher