Waffenschwestern
Pomp und Zeremoniell begonnen; diesmal wartete eine Zeremonie auf sie, aber kein Pomp und auch keine Nachrichtenschnüffler. Ihr Vater empfing sie in der Ankunftshalle für Passagiere; beinahe erkannte sie ihn nicht in der förmlichen schwarzen
Trauerkleidung mit kunstvollen Schnörkeln aus schwarzen Litzen an Brust und Ärmeln der eng sitzenden kurzen Jacke, den schwarzen Perlen am Kragen, der schwarzen Hose, die in
schwarzen Halbschuhen mit hochgezogenen Zehen steckte, und der flachen schwarzen Mütze mit der schulterlangen Troddel, die neben dem linken Ohr hing. Das linke Ohr, das Herzohr, die direkte Abstammungslinie … das wusste sie alles sofort wieder.
Er hatte eine der Mägde von der Estancia mitgebracht, die Esmay in die vorgeschriebene Kluft half. Im Ruheraum für Damen wechselte Esmay aus der Flottenuniform zunächst in die weißen Schichten: lange Pantalons unter einem Unterrock, einer kurzen weißen Chemise. Die Außenschichten waren allesamt 396
schwarz, wie beim Vater. Eine schwarze Bluse mit weiten Ärmeln steckte vorn im Bund, ein fülliger schwarzer Rock, eine kurze schwarze Brokatweste, dicht mit Gagat besetzt, ein breiter schwarzer Rockbund mit Rautenmuster, schwarz auf schwarz.
Frauenstiefel mit umgeschlagenen Rändern, die die schwarze Seidenauskleidung zeigten. Auf dem Kopf trug Esmay eine steife schwarze Mütze mit je einem Knopf an beiden Seiten, die ihr fest auf der Stirn saß. Esmay hatte dieses Kostüm schon bei anderen Landbraut-Zeremonien gesehen, aber nie erwartet, es mal selbst zu tragen, und sie hatte auch noch nie die ganze Zeremonie verfolgt - was Außenstehende nie taten.
Die Kleider waren eine fast so schwere Last wie die
Geheimnisse, die sie selbst in sich trug.
Langsam gingen sie in einem Rhythmus, der so alt war wie die Berge, von der Empfangshalle zur Shuttlebucht. Esmay war es gewöhnt, einen halben Schritt hinter ihrem Vater zu gehen, falls nicht noch weiter zurück; aber egal, wie langsam sie jetzt ging, er würde noch langsamer sein.
Es war real. Sie war die Landbraut. Für niemanden sonst hätte ihr Vater sein Schritttempo zurückgenommen.
Im Shuttle nach unten erläuterte er kurz die Arrangements und ließ sie dann mit einem Bündel altmodischen Papiers allein
– der Familienausgabe der alten Riten, die Esmays
Urgroßmutter während ihres ganzen langen Lebens befolgt hatte. Esmay konnte Hilfe haben – sie würde Hilfe haben –, aber je mehr sie eigenständig schaffte, desto besser. Sie hatte noch nie eine Zeremonie der Landbrautgabe miterlebt, obwohl sie andere davon hatte erzählen hören. Auf dem Shuttlehafen war es kurz nach Sonnenuntergang, und ein feuriges Leuchten
verharrte noch hinter den Bergen. Als sie die Stadt hinter sich 397
ließen, schloss die Nacht sie ein. Esmay schaltete das Licht im Fahrgastabteil an und las weiter. Schließlich berührte ihr Vater sie am Arm und deutete nach vorn. Esmay schaltete das Licht aus und blickte forschend in die Dunkelheit.
Zu beiden Seiten der Straße lösten sich flackernde Lichter zu Reihen schwarz gekleideter Gestalten auf, die Kerzen hielten …
Der Wagen wurden langsamer und hielt an. Esmays Vater half ihr hinaus. Esmay war diesmal die Erste, die die Kerzen vor dem Schrein anzündete … und sie erinnerte sich, ohne dass ihr jemand Stichworte geben musste, an die Worte, die Gesten, das ganze Ritual. Hinter sich hörte sie respektvolles Murmeln.
Von dort aus gingen sie langsam zum großen Tor und die
lange Einfahrt hinauf, und die anderen folgten ihnen. Das Haus ragte vor ihnen auf, dunkler als die Dunkelheit ringsherum.
Dann tauchte Kerzenlicht aus dem Inneren auf – es war die Familie, jeder mit einer Kerze in der Hand. Esmay betrat einen kalten dunklen Raum, in dem normalerweise Licht und Wärme herrschten. Heute würde jedoch kein Feuer entzündet werden, bis die Zeremonie abgeschlossen war; zum Glück hatten die neuen Gebote Feuer und Licht erlaubt, während Esmay noch unterwegs war, bis zu ihrer Landung auf dem Planeten.
Sie schritt durch das Haus und zündete in jedem Zimmer eine der winzigen Kerzen an – die Verkündigung der Ankunft der Landbraut. Dann ging es weiter hinaus zur Landbrautstätte, dem Herzen des Anwesens und dem Ort, wo die erste Landbraut ihrer Herzlinie vor langer, langer Zeit ihren Anspruch erhoben hatte.
Dort wartete der Priester auf sie, mit dem Korb, in dem der geflochtene Zopf aus dem Haar ihrer Urgroßmutter lag. Esmay schauderte auf einmal; ihre
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