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Waffenschwestern

Waffenschwestern

Titel: Waffenschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Moon
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er einen langen, zugespitzten Stab. Die Männer versammelten sich hinter ihm.
    »Aus der Nacht entsteht der Tag«, sagte der Priester,
    »Ausdruck der göttlichen Gnade. Und aus dem Tod des einen entsteht das Leben eines anderen, wie die Saat im Boden stirbt, um als Korn weiterzuleben, das in der Sonne aufblüht.«
    Esmay hob die Arme zu den rituellen Gesten.
    »Stellt hier irgendjemand die Abstammung der Landbraut in Frage?«, verlangte der Priester zu wissen. »Oder besteht ein Grund, dass sie nicht vermählt werden sollte?«
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    Schweigen hüllte die Menge ein, begleitet vom nervösen
    Geschnatter eines Baumhüpfers, der sich nichts aus der
    Zeremonie machte. Der Priester wartete ab und zählte dabei bis hundert – Esmay zählte in Gedanken mit – und nickte
    schließlich.
    »So soll es sein … diese Braut für dieses Land, bis zum Ende ihrer Tage oder der willigen Weitergabe an ihre Erbin.« Er streckte den Grabungsstock aus.
    Der nächste Teil war Esmay lächerlich und eher theatralisch als archaisch vorgekommen, als sie davon gelesen hatte, aber jetzt, als sie das alte Kostüm im Licht des frühen Morgens trug, den Grabungsstock in der Hand hielt (viel schwerer als erwartet) und die Sichel und die Saat bei sich hatte… empfand sie ihn auf eine Art und Weise als richtig und angemessen, wie sie es sich nicht vorgestellt hatte.
    Sie trat hinaus in den kleinen Kreis Ackerboden, der für diesen Zweck bewahrt und jedes Jahr sorgfältig neu bepflanzt wurde. Obwohl die falsche Jahreszeit dafür war und das, was Esmay hier einsetzte, nicht gedeihen würde, empfand sie den Vorgang doch als Teil eines größeren Rituals, das Früchte tragen würde, das das Land an sie band und sie mit dem Land verband. Sie war sich nicht sicher, dass sie sich das wünschte, aber sie wusste genau, was sie tun musste.
    Mit dem Stock öffnete sie drei Löcher an den Ecken eines gleichschenkligen Dreiecks und stocherte in der Erde herum, bis sie groß genug waren. Alte Flecken an der Spitze des Stocks gaben Hinweis darauf, welches die richtige Tiefe war. Esmays Helfer hoben die gelockerten Klumpen auf und legten sie in eine Kupferschüssel. Dann nahm Esmay die alte Sichelklinge zur Hand, die bis zum Ende der Zeremonie ohne Griff blieb, und 402
    drückte sich die Schneide an die linke Handfläche. Es tat zu Anfang kaum weh, und das Blut, von tieferem Rot als ihre Schärpe, floss in die Schüssel, in die Erdklumpen, und färbte sie dunkler ein. Als es genug war, nickten die Frauen, und Esmay streckte die Hand aus, damit sie jemand mit dem Taschentuch verband, das von nun an unter dem Herd in der Küche liegen würde.
    In der Hand entwickelte sich ein Pochen. Esmay kümmerte sich nicht darum und hängte sich die Sichel wieder an den Gürtel. Dann spuckte sie in die Schüssel, einmal auf jeden Klumpen. Die Frauen nickten wieder, und Esmay trat zurück.
    Die Frauen gössen ein paar Tropfen aus einem Krug
    Quellwasser hinzu und kneteten die Erde mit dem Blut und dem Wasser zu einem Ball; sie benutzten dazu Rührschaufeln, die aus dem Holz von Obstbäumen geschnitzt waren.
    Esmay holte fünf Samenkörner aus der Tasche und legte sie sorgfältig ins erste Loch – und die Frauen legten einen kleinen Klumpen aus der Mischung in der Schüssel darauf. Der
    Vorgang wurde zweimal wiederholt. Dann stellten die Frauen die Schüssel innerhalb des Dreiecks auf den Boden und teilten den Rest des ursprünglichen Klumpens in fünf kleinere auf, jeder sorgfältig einem Brotlaib nachgebildet. Sie bauten ein Dreibeinstativ aus Stöcken darüber und krönten dieses mit einem Büschel trockener Borstenhirse. Der Priester trat hinzu und nahm sich den Kristall vom Hals ab, der das Zentrum seines Skapuliers bildete und einen Stern symbolisierte. Aber so früh am Morgen konnte er nicht genug Sonnenlicht bündeln … nein.
    Einer der Assistenten des Priesters brachte einen Topf mit Kohle aus dem Herdfeuer, in Glut gehalten, seit dieses Feuer gelöscht worden war.
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    Das sorgfältig gespeiste Feuer buk die Erdklumpen, bis sie hart und trocken waren. Währenddessen begannen die Musiker wilde aufpeitschende Tänze zu spielen. Als der Backvorgang abgeschlossen war, traten die Fünf Reiter vor. Esmay zerbrach den Klumpen, und jeder nahm ein Stück, stieg aufs Pferd und ritt davon. Sie würden die Laibe in den Grenzschreinen
    platzieren, wo die Erde aus Esmays Pflanzung, ihr Blut und ihr Speichel das Land zu ihrem Eigentum erklärten. Es würde Tage dauern, bis das

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