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Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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verwundet. Nicht dass das meine Welt ist …«
    Droch beugte sich vor. »Soll ich Ihnen etwas erzählen, was nur wenige wissen, weil es nur wenige glauben wollten?«
    Ich legte meine Hände auf den Tisch und lauschte gespannt.
    »Erstens halte ich es nicht für besonders heldenhaft, über einen Krieg zu berichten. Ich halte es nicht einmal für besonders heldenhaft, sich an einem Krieg zu beteiligen. Man kann nämlich sterben. Und dabei sind die wenigsten Helden.« Sein Gesicht flackerte im Licht der Kerze. »Ich war als Berichterstatter im Vietnamkrieg. 26 war ich damals und ganz wild auf das Abenteuer. Zu wenig Fantasie, wie sich so etwas in der Realität abspielt. Wir konnten allerdings ohnehin kaum in die Kampfgebiete. Die meiste Zeit saßen wir in Saigon fest, rund 200 Kollegen aus allen Teilen der Welt. Die Amerikaner nahmen nur die eigenen Journalisten und hin und wieder einige andere mit, die ihnen wichtig erschienen. Wir saßen also in der Hauptstadt, fürchteten uns etwas, langweilten uns sehr, und unsere Berichte stammten zum größten Teil von den Nachrichtenagenturen und dem, was uns Amerikaner erzählten. Am Abend gingen wir in die wenigen offenen Hotels, tranken alles, was da war, und legten uns dann nieder. Es war auf einer dieser Touren. Ich war so betrunken wie meine Begleiter. Wir wollten noch schwimmen gehen. Wir holten uns ein paar Drinks und verzogen uns an den Swimmingpool des Hotels. Ohne mich auszuziehen, stieg ich auf das Sprungbrett, wippte und köpfelte ins Bassin. Aber sie hatten das Wasser ausgelassen. Wassermangel.«
    Ich hatte einen trockenen Mund, nahm einen großen Schluck Wein. »Wirbelbruch. Drei meiner Kollegen flogen mit mir nach Hause. Am nächsten Tag wurde unser Quartier durch eine Bombe zerfetzt. Indirekt hatte ich sie also gerettet. So viel zum Thema Heuchelei. Kriegsheld. Ich bin besoffen in einen Swimmingpool ohne Wasser gesprungen.«
    »Aber Sie haben sicher …«
    »Ja, ich habe. Ich habe allen, die mich gefragt haben, gesagt, dass ich besoffen in einen leeren Swimmingpool gesprungen bin. Aber die Legende war schon im Umlauf. Und alle lachten über meine Tiefstapelei. Warum sollte ich um die Anerkennung der Wahrheit betteln? Es gibt wenig, was einen Krüppel interessant macht. Als Kriegsheld zu gelten war nicht so übel in den späten Sechzigern.«
    Die späten Sechziger, ich war damals gerade in die Volksschule gegangen. Wenn er in den späten Sechzigern 26 gewesen war, dann musste er heute an die 56 sein. Nicht so alt, wie er manchmal aussah. Ich bemerkte, dass Droch mich musterte.
    »Habe ich einen Mythos zerstört?«, fragte er.
    Ich schenkte ihm nach und lächelte. »Nein, ich habe nachgerechnet, wie alt Sie sind.«
    Droch lachte so, dass er beinahe die Kerze ausgeblasen hätte. »Sie sind schon etwas Besonderes. Ich beichte Ihnen mein Leben, und Sie berechnen, wie alt ich bin.«
    Ich lächelte. »Als Nichtkriegsheld sind Sie mir lieber.« Dann stand ich abrupt auf und ging in die Küche, um die Wachteln zu holen. Ich legte die braunen Vögel zwei und zwei auf einen Teller und drückte den Rest der Trüffelpaste in den Saft der Wachteln. Ein intensiver, unvergleichlicher Duft machte sich breit. Mit den Tellern und einer Flasche Traminer aus Campodipietra unter dem Arm kehrte ich zu Droch zurück.
    »Mira«, rief Droch beinahe enthusiastisch, als ihn der Duft erreichte.
    Ich stellte die Teller ab, öffnete den Wein und ließ mich vom vollen Aroma des trockenen Traminers und der eigentümlichen Knolle einfangen.
    »Nicht reden, essen«, sagte ich. Und wir aßen. Die Donau, fast schwarz und träge. Die weiche Fülle der Wachteln – ein Gedicht. Ich nahm einen Wachtelschenkel, tauchte ihn in den Trüffelsaft und lutschte das letzte Fleisch herunter. Droch wischte sich den Mund ab und nahm einen Schluck Traminer. Ich schob mir eine Strähne meiner langen schwarzen Haare zurück. Das Gesicht von Droch. Kantig, kurzgeschnittene graue Haare und fettige Lippen. Wir sahen uns an, und wir aßen. Mit Brot tunkten wir die Sauce auf. Ich füllte die Gläser nach. Wir tranken.
    »Incredibile«, sagte Droch in die Stille.
    »Incredibile«, erwiderte ich.
    Wir blieben so sitzen, bis etwas Wind aufkam und ich zu frösteln begann. Droch rollte davon und holte eine alte Strickjacke. Er hängte sie mir um, und ich spürte für einen Moment seine Hände auf meinen Schultern. Aber schon war er wieder auf seinem Platz.
    »Ich habe noch Schokomousse«, murmelte ich. Droch lachte und brach

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