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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Ausschaltknopf und legte meine Stirn an die mit gebürstetem Edelstahl verkleidete kalte Front des riesigen Kühlschranks im Palacio . Vor mir hatte ich einen Magneten, auf dem DICK IST DAS NEUE DÜNN stand. Richtig, und tot war das neue lebendig. Gleich daneben hingen ein magnetischer Notizblockhalter und ein kurzer Bleistift an einer Schnur.
    Ich drückte wieder auf den mit LINE 1 bezeichneten Knopf und wählte 411. Eine Computerstimme hieß mich bei der Telefonauskunft von Verizon willkommen und fragte nach Stadt und Staat. Ich sagte: »Providence, Rhode Island«, und sprach dabei deutlich wie auf der Bühne. So weit, so gut, aber der Roboter kapierte Ilse nicht, obwohl ich mir größte Mühe gab, den Namen deutlich auszusprechen. Er verband mich mit einer Telefonistin, die mir bestätigte, was ich schon befürchtet hatte: Ilses Nummer stand nicht im Telefonbuch. Ich erklärte ihr, dass ich meine Tochter anrufen müsse und dieses Gespräch sehr wichtig sei. Die Telefonistin schlug mir vor, mit ihrem Vorgesetzten zu sprechen, der vermutlich bereit sein werde, bei Ilse Freemantle anzufragen, ob sie meinen Anruf entgegennehmen wolle - jedoch nicht vor acht Uhr Ostküstenzeit. Ich sah auf die Uhr an der Mikrowelle. Es war 02:04.
    Ich legte auf und schloss die Augen. Ich konnte Wireman wecken und ihn fragen, ob er Ilse in seinem kleinen roten Adressbuch habe, aber ich hatte den quälenden Verdacht, dass selbst das zu lange dauern könnte.
    »Ich schaffe das«, sagte ich, aber ohne wirkliche Hoffnung.
    Natürlich können Sie das, sagte Kamen. Wie viel wiegen Sie?
    Ich wog hundertvierundsiebzig, nachdem ich in meiner besten Zeit als junger Erwachsener hundertfünfzig Pfund gewogen hatte. Diese Zahlen standen vor meinem inneren Auge: 174150. Die Ziffern waren rot . Dann wurden fünf von ihnen grün, eine nach der anderen. Ohne die Augen zu öffnen, griff ich nach dem Bleistiftstummel und schrieb sie auf den Notizblock: 40175.
    Und wie lautet Ihre Sozialversicherungsnummer?, fragte Kamen weiter.
    Sie erschien in leuchtend roten Ziffern in der Dunkelheit. Vier davon wurden grün, und ich schrieb sie zu denen, die ich schon hingekritzelt hatte. Als ich die Augen öffnete, hatte ich in nach rechts hin abfallender, wie betrunken aussehender Schrift die Zahl 401759082 auf den Notizblock gekritzelt.
    Sie stimmte so weit, da war ich mir sicher, aber es fehlte noch eine Ziffer.
    Das spielt keine Rolle, erklärte mir der Kamen in meinem Kopf. Für Leute mit schlechtem Gedächtnis sind Telefone mit Tastenfeld ein Segen. Wenn Sie unverkrampft eintippen, was Sie bisher haben, folgt die letzte Nummer ganz von allein. Ihre Muskeln erinnern sich daran.
    Ich hoffte inständig, dass er recht behielt, als ich wieder auf LINE 1 drückte, die Vorwahl für Rhode Island eingab und anschließend 759-082 eintippte. Mein Finger zögerte keinen Augenblick. Ich gab die letzte Ziffer ein, und irgendwo in Providence begann ein Telefon zu klingeln.
     
     
     
     
     
     
    VI »Hal-lo?... Wer...’s da?«
    Im ersten Augenblick fürchtete ich, dass ich doch die falsche Nummer erwischt hatte. Die Stimme gehörte einer Frau, aber sie klang älter als meine Tochter. Viel älter. Und als stünde sie unter Medikamenten. Aber ich widerstand meinem ersten Impuls, »Entschuldigung, hab mich verwählt« zu sagen und aufzulegen. Sie klang müde, hatte Pam gesagt, aber wenn das Ilse war, klang sie nicht nur müde; sie klang zu Tode erschöpft.
    »Ilse?«
    Lange keine Antwort. Ich fing an zu glauben, dass die körperlose Angerufene in Providence einfach aufgelegt hatte. Ich merkte, dass ich schwitzte - stark genug, um mich selbst riechen zu können. Dann wieder derselbe kleine Refrain:
    »Hal-lo?... Wer...’s da?«
    »Ilse!«
    Nichts. Ich spürte, dass sie kurz davor war, wieder aufzulegen. Draußen röhrte der Wind, und die Brandung donnerte an den Strand.
    »Miss Cookie!«, rief ich. »Miss Cookie, trau dich bloß nicht, einfach aufzulegen!«
    Das drang durch. »Dad…dy?« In diesem gebrochenen Wort lag großes Staunen.
    »Ja, Schätzchen - Dad.«
    »Wenn du wirklich Daddy bist...« Wieder eine lange Pause. Ich konnte sie in ihrer eigenen Küche sehen: barfuß (wie an dem Tag, als sie im Big Pink die Zeichnung mit der Puppe und den schwimmenden Tennisbällen betrachtet hatte), den Kopf gesenkt, dass ihr die Haare ins Gesicht hingen. Geistesabwesend, vielleicht bis fast zum Wahnsinn verwirrt. Und zum ersten Mal begann ich Perse mindestens ebenso zu hassen, wie

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