Wallander 06 - Die fünfte Frau
Hund verschwand. Ihr Auto stand auf der anderen Seite der Eisenbahnbrücke. Obwohl sie sich mitten in Lund befanden, war der Verkehr spärlich. Der Mann mit dem Hund war der einzige, der vorübergekommen war, außer einem Radfahrer. Sie fühlte sich bereit. Nichts würde schiefgehen.
Dann erblickte sie den Mann, auf den sie wartete. Er näherte sich auf ihrer Seite der Straße. Irgendwo hörte sie ein Auto. Sie krümmte sich, als habe sie Bauchschmerzen. Der Mann blieb neben ihr stehen. Er fragte, ob ihr unwohl sei. Statt zu antworten, |329| sank sie auf die Knie. Er tat, was sie erwartet hatte. Trat dicht an sie heran und beugte sich nieder. Sie sagte, ihr sei plötzlich übel geworden. Konnte er ihr zu ihrem Auto helfen? Es stand ganz in der Nähe. Er nahm sie unter den Arm. Sie machte sich schwer. Er mußte sich anstrengen, um sie aufrecht zu halten. Genau das, womit sie gerechnet hatte. Seine Körperkraft war begrenzt. Er stützte sie auf dem Weg zum Auto. Fragte, ob sie weitere Hilfe brauche. Aber sie verneinte. Er öffnete ihr die Tür. Sie streckte schnell die Hand zu dem Lappen aus. Damit der Äther nicht so schnell verdunstete, hatte sie ihn in eine Plastiktüte gewickelt. Sie brauchte nur ein paar Sekunden, um ihn herauszuholen. Die Straße war immer noch menschenleer. Sie drehte sich schnell um, preßte den Lappen fest gegen sein Gesicht. Er wehrte sich, aber sie war stärker. Als er zusammensackte, hielt sie ihn mit einem Arm, während sie die hintere Tür öffnete. Es war nicht schwer, ihn hineinzustoßen. Sie setzte sich auf den Vordersitz. Ein Auto fuhr vorüber, kurz darauf noch ein Radfahrer. Sie beugte sich nach hinten zur Rückbank und drückte den Lappen gegen sein Gesicht. Dann war er bewußtlos. In der Zeit, die sie brauchte, um zum See zu fahren, würde er nicht aufwachen.
Sie fuhr über Svaneholm und Brodda zum See. Bei dem kleinen verlassenen Campingplatz am Strand bog sie ein. Schaltete das Licht aus und stieg aus dem Wagen. Lauschte. Es war ganz still. Die Wohnwagen standen verlassen. Sie zog den bewußtlosen Mann aus dem Wagen auf die Erde. Dann holte sie den Sack aus dem Kofferraum. Die Gewichte schlugen an ein paar Steine. Es dauerte länger, als sie berechnet hatte, ihn in den Sack zu stecken und diesen zu verschnüren.
Er war immer noch bewußtlos. Sie zog den Sack auf den kleinen Steg, der ins Wasser hinausführte. Nicht weit entfernt flatterte ein Vogel in der Dunkelheit vorüber. Sie zog den Sack ans äußerste Ende des Stegs. Jetzt stand ihr nur noch eine kurze Zeit des Wartens bevor. Sie zündete eine Zigarette an. Im Licht der Glut betrachtete sie ihre Hand. Sie war ruhig. Nach ungefähr zwanzig Minuten kam der Mann im Sack langsam wieder zu Bewußtsein. Er bewegte sich darin.
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Sie dachte an das Badezimmer. Was die Frau erzählt hatte. Und sie erinnerte sich an die Katzen, die ertränkt wurden, als sie klein war. Sie trieben in Säcken davon, noch immer lebend, verzweifelt kämpfend, um zu atmen und zu überleben.
Er begann zu rufen. Jetzt zerrte er an dem Sack. Die Zigarette hatte sie auf dem Steg ausgedrückt.
Sie versuchte zu denken. Aber ihr Kopf war leer.
Dann stieß sie den Sack mit einem Fuß ins Wasser und ging davon.
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Sie tagten, bis der Sonntag in den Montag übergegangen war. Wallander hatte Hansson und später auch Nyberg nach Hause geschickt. Aber die anderen waren geblieben und hatten sich von neuem an die Durchsicht des gesamten Untersuchungsmaterials gemacht.
Der Koffer zwang sie zu einer Rückbesinnung. Er lag vor ihnen auf dem Tisch, bis sie ihre Besprechung beendeten. Da klappte Martinsson den Deckel zu und nahm ihn mit in sein Zimmer.
Sie gingen alles durch, was bis zu diesem Zeitpunkt geschehen war, wobei sie voraussetzten, daß nichts von der Arbeit, die sie bisher getan hatten, als vergeudete Mühe betrachtet werden konnte. Ihrer Rückbesinnung lag auch das gemeinsame Bedürfnis zugrunde, Blicke nach rechts und links zu werfen, bei einzelnen Details zu verweilen und zu hoffen, daß sie etwas bis dahin Übersehenes entdeckten.
Aber sie fanden nichts, was ihnen das Gefühl gab, den Durchbruch geschafft zu haben. Noch immer waren die Ereignisse dunkel, ihr Zusammenhang unklar, die Motive unbekannt. Die Rückbesinnung führte sie wieder zum Ausgangspunkt, daß zwei Männer auf grausame und brutale Weise getötet worden waren und daß es sich um denselben Täter handeln mußte.
Um Viertel nach zwölf setzte Wallander den
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