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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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Es hat dieses Konzept nie gegeben, obgleich es doch zwei Parteitage zuvor von den meisten Delegierten, die auch jetzt wieder im Saal sitzen, beschlossen worden war. Im Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees erklärte Ulbrichts Nachfolger: »Wir kennen nur ein Ziel, das die Politik unserer Partei durchdringt: Alles zu tun für das Wohl des Menschen, für das Glück des Volkes, für die Interessen der Arbeiterklasse und aller Werktätigen. Das ist der Sinn des Sozialismus. Dafür arbeiten und kämpfen wir.«
    Etwas anderes hat auch Walter Ulbricht nicht gedacht und getan.
    Nun heißt es, die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik würde die Menschen nicht auf später vertrösten (»So wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben«), sondern sie würden die sozialistischen Früchte ihrer Arbeit schon heute genießen können (»Ich leiste was – ich leiste mir was«). Wie sich alsbald zeigt, wird mehr konsumiert, als wir uns hätten leisten können. Und die Schere zwischen Ertrag und Verzehr geht stetig weiter auseinander.
    Ob die Entwicklung bei vollständiger Durchsetzung des NÖS entschieden anders verlaufen wäre, kann nur spekulativ beantwortet werden. Die Vorstellung, dass die »Politik der Hauptaufgabe« – die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik – erfolgreich gewesen wäre, wäre sie vom NÖS flankiert und stimuliert worden, hat etwas Verlockendes. Diese Chance gab es nicht. So gilt denn die Binse: Niemand kann um Sieg oder Platz kämpfen, wenn er nicht zum Wettkampf zugelassen wird.
    Walter Ulbrichts besondere Stärke bestand darin, sich mit Wissenschaftlern zu beraten. Viele von ihnen waren an der Ausarbeitung des NÖS beteiligt. Einer, der eher bescheiden und unauffällig im Hintergrund wirkte, hieß Dr. Wolfgang Berger 4 . Seit Bestehen des zentralen Parteiapparates, seit 1953, war er der wirtschaftspolitische Berater des Ersten Sekretärs, zuvor hatte er die Abteilung Planung und Finanzen des ZK geleitet. Ulbricht war Initiator und Chefarchitekt des NÖS, Berger war Vordenker und Ideengeber. Ich kannte Berger seit 1954 aus gemeinsamer Arbeit.
    Nachdem wir uns aus den Augen verloren hatten, meldete er sich im Sommer 1991 bei mir. Er kam aus seinem kleinen Dorf bei Königs Wusterhausen zu mir nach Potsdam herüber. Er war sichtlich von Krankheit gezeichnet. Wir beide seien so ziemlich die letzten Kenner des NÖS, sagte er, deshalb müssten wir darüber auch berichten. Wozu, fragte ich, der Kopf ist ab, die Frisur interessiert niemanden mehr.
    Wolfgang Berger widersprach. »Das Neue Ökonomische System der Planung und Leitung gehört erstens zur Parteigeschichte, und zweitens ist es Ausdruck für die Reformfähigkeit des Sozialismus – selbst wenn es die Reformunwilligen und Reformgegner verhinderten. Es aufzuschreiben sind wir Walter Ulbricht schuldig!«
    Da hatte er gewiss recht.
    1 Günter Mittag (1926-1994), Eintritt in die KPD 1945, seit 1947 im Parteiapparat tätig. 1958 Sekretär der Wirtschaftskommission beim Politbüro, 1962 ZK -Mitglied, 1963 Leiter des Büros für Industrie- und Bauwesen des ZK . Gemeinsam mit Erich Apel konzipiert er das auf dem VI . Parteitag beschlossene Neue Ökonomische System der Planung und Leitung. 1966 Mitglied des Politbüros, von 1962 bis 1973 und wieder ab 1976 ZK -Sekretär für Wirtschaft. Mitglied der Volkskammer von 1963 bis 1989, des Staatsrates (von 1979 bis 1989), von 1982 bis 1989 des Nationalen Verteidigungsrates. Im Oktober 1989 Entbindung von allen Funktionen und am 23. November 1989 Ausschluss aus der SED . Nach kurzer Untersuchungshaft Entlassung aus gesundheitlichen Gründen. Aus den gleichen Gründen wurde eine Klage wegen Veruntreuung 1992 eingestellt.
    2 Nikita S. Chruschtschow (1894-1971), Maschinenschlosser, 1918 Eintritt in die Kommunistische Partei und in die Rote Armee. Parteifunktionär seit 1925, erste Begegnung mit Stalin auf dem XIV . Parteitag 1925. 1933 Parteichef von Moskau, Mitglied des ZK von 1934 bis 1966, Mitglied des Politbüros von 1939 bis 1964. Erster Sekretär des ZK der KP der Ukraine von 1938 bis 1949, danach, bis 1953, Sekretär des ZK der KP d SU . Von 1953 bis 1964 Erster Sekretär, seit 1958 auch Ministerpräsident der Ud SSR . Am 14. Oktober 1964 von als Staats- und Regierungschef abgelöst.
    3 Leonid I. Breshnew (1906-1982), Eintritt in die KP d SU 1931, 1939 Sekretär des Gebietskomitees von Dnepropetrowsk, Politkommissar im Großen Vaterländischen Krieg, von 1950 bis 1952 Erster Sekretär des ZK der KP

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