Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Schweden und Brandenburger eine Umgehung; aber die Polen kamen den Angreifern zuvor, und nachdem, in veränderter Schlachtstellung, um eine Dorfgasse lang gekämpft worden war, kehrten beide Armeen in ihre früheren Positionen zurück. Dieses Scheitern aller Anstrengungen auf seiten der Verbündeten mochte den Mut der ohnehin siegessicheren Polen heben, und ihre zahlreiche Reiterei ging nunmehr zum Angriff über. Vom Plateau herabsausend, an dem Gehölz vorüber, in welchem der Hauptteil ihrer Infanterie steckte, suchten sie die Schlachtreihe der Verbündeten zu durchbrechen. Aber dieser Angriff wurde von dem Zentrum unter Sparr zurückgeschlagen und mißlang ebenso, wie am Tage vorher der schwedisch-brandenburgische Angriff auf die feindlichen Flügelpositionen mißlungen war.
So kam der dritte Tag. Das Operieren mit den Flügeln war erfolglos geblieben. Es blieb also nur noch übrig, wenn man Verbrauchtes nicht wiederholen wollte, den Feind an seiner stärksten Stelle zu fassen: im Zentrum. Zu diesem Behufe war es unerläßlich, sich zuvörderst in Besitz jenes Gehölzes zu setzen, das sich am Fuße des dominierenden Plateaus hinzog. Ein Angriff auf dasselbe glich einem Verzweiflungscoup und Sparr erkannte die ganze Schwierigkeit desselben. Dennoch ging er vor und führte die Sache siegreich hinaus. Es ist sehr wahrscheinlich, daß er das im Walde versteckte Fußvolk durch konzentriertes Geschützfeuer zwang, sich hügelanwärts zu ziehen, und diesen Rückzugs- und Verwirrungsmoment benutzte, das gesamte Zentrum avancieren zu lassen. Infanteriekolonnen säuberten das Gehölz, während seine Kavallerie: fünf Schwadronen brandenburgische Kürassiere, bergan stürmte und die durch ihr eigenes Fußvolk bereits in Unordnung geratene polnische Reiterei nach kurzem Kampf über den Haufen warf. Einmal aus ihrer unangreifbar geglaubten Position herausgeschlagen, wandten sich die Polen zur Flucht und wurden teils in einen Morast, teils in die Weichsel getrieben. Viele der Flüchtigen ertranken.
Die Verbündeten hielten andern Tags ihren Einzug in Warschau.
Es war dies – beinahe zwanzig Jahre vor Fehrbellin, – der erste große Waffenakt der Brandenburger, die von diesem Tage an durch länger als ein Jahrhundert hin, nämlich vom 28. Juli 1656 bis zum 18. Juni 1757, immer siegreich kämpften. Erst der Tag von Kolin brachte die Demütigung einer Niederlage.
Wenn diese Waffentat nichtsdestoweniger halb vergessen ist, und jedenfalls nirgends im Herzen unseres Volkes fortlebt, so hat dies zunächst seinen Grund darin, daß alle Siege, bei denen kleinere Völker an der Seite eines größeren auftreten, immer nur dem letzteren als kriegerische Großtat angerechnet werden. Die Stärkeren verfahren dabei systematisch-absprechend und behaupten ihre Sätze so nachdrücklich und so beharrlich, daß das kleinere Volk schließlich selber glaubt, es habe eigentlich wenig oder gar nichts bei der Sache getan. Es kommt aber in dem vorliegenden Falle noch ein anderes hinzu: das ermangelnde Lokalinteresse. Fehrbellin liegt uns nah und Warschau liegt uns fern. Bis diese Stunde feiern wir Großbeeren und Dennewitz auf Kosten größerer und entscheidungsreicherer Aktionen, nur weil uns an beiden Tagen allerpersönlichst das Feuer auf den Nägeln brannte. Die Menschen sind Egoisten in allen Stücken. Auch in diesen.
Die Beschreibungen der Schlacht von Warschau pflegen Sparrs und seines ausschlaggebenden Angriffs immer nur obenhin zu erwähnen, was uns, aus schon angeführten Gründen, eben nicht wundernehmen darf. Pufendorfs »De rebus a Carolo Gustavo gestis« kam den Schweden zugute, nicht uns, und im eigenen Lande entbehrten wir der Chronisten, die sich unsers brandenburgischen Feldherrn angenommen hätten. So müssen wir denn, was die hervorragende Mitwirkung des letzteren an der großen, dreitägigen Aktion angeht, uns mit einem mittelbaren Beweise begnügen, den wir am besten in den Auszeichnungen finden, die der Kurfürst von jenem Tage an für unseren Otto Christoph von Sparr hatte. Am 26. Juni 1657 wurde er zum Generalfeldmarschall ernannt und sein Gehalt auf eine für die damalige Zeit überraschende Höhe festgesetzt. Er erhielt 800 Taler monatlich, Futter für 40 Pferde und Verpflegung für eine zahlreiche Dienerschaft. 69 Auch Karl Gustav, unter dessen Augen er bei Warschau gekämpft hatte, bestätigte das Entscheidende des Sparrschen Angriffs, indem er kurz nach der Schlacht von ihm sagte: »Dieser alte Vater Sparr hat sich
Weitere Kostenlose Bücher