Wanderungen durch die Mark Brandenburg
unverdient.
Schloß Werbellin
Es lag an der Südwestspitze des Sees, 74 höchst wahrscheinlich auf einer Landzunge, die, mittelst eines Durchstichs, in eine schwer zugängliche Insel umgewandelt wurde. Das war um 1247, und es scheint, daß es unter allen markgräflichen Schlössern jener Epoche nicht nur das größte, sondern auch ein bevorzugter Aufenthalt mehrerer unter den Askaniern war. Hier wurden die schon oben erwähnten Urkunden ausgestellt und wohl viele andere mit ihnen. Von Schloß Werbellin aus schickte Markgraf Waldemar seinen Kanzler Nikolaus von Buch an den Rhein, als, nach Kaiser Heinrichs VII. Tode, ein neuer Kaiser gewählt werden sollte, und gab ihm, wie wir heute sagen würden, carte blanche zu wählen nach seinem Ermessen. Nikolaus von Buch gab seine Stimme an Ludwig den Bayer, an den einzigen, an den er sie, nach dem stillen Wunsche Waldemars, nicht geben sollte. Der empörte Markgraf, so heißt es, ließ den zurückkehrenden Kanzler nach dem nah gelegenen Schloß Grimnitz 75 bringen, ihn dort in den Kerker werfen und verhungern. Die Sage fügt hinzu, der Markgraf habe täglich frische Äpfel vor das vergitterte Fenster legen lassen, um durch den Anblick der Labefrucht die Qual des Unglücklichen zu steigern.
1319 starb Markgraf Waldemar und es kam eine wilde, herrenlose Zeit. Auch Schloß Werbellin sank von seiner Höhe; noch im Laufe desselben Jahrhunderts, oder doch spätestens zu Beginn des nächstfolgenden, wurde es zerstört. Der eine Bericht sagt »durch die Litauer,« ein anderer nennt die Quitzows, die gemeinschaftlich mit dem Ruppiner Grafen die Burg angegriffen hätten. Ihr Zug richtete sich gegen Chorin. Auf dem Felde zwischen Lichterfelde und dem Werbelliner See wird noch die Stelle gezeigt, wo der Abt von Chorin den Siegern entgegenkam und mit ihnen über gute Bedingungen verhandelte.
Der Werbelliner Forst
Aus Gründen besserer Verwaltung hat man ihn in eine westliche und östliche Hälfte geteilt, die nun den Namen »Groß-Schönebecker und Grimnitzer Forst« führen. Als Waldgrund mag er innerhalb unserer Marken überflügelt werden, als Jagdgrund steht er einzig da. Ein Teil des Forstes, die sogenannte Schürf- oder Schorfheide, die sich eine halbe Meile lang am Nordwestufer des Sees entlang zieht, dient eigens dem Zwecke, das Wild zu pflegen, also den Rest des Forstes in einen desto reicheren und besseren Jagdgrund zu verwandeln. Der nahe See mit seinem kostbar klaren Wasser (eine Folge seiner Kalk- und Tongründigkeit) eignet sich zur Tränke, während außerdem Brunnen in den Wald gegraben sind und überall ausgebreitete Heu- und Moosbetten über die Gefahren und Beschwerden des Winters hinweghelfen. Und das alles nur sehr ausnahmsweise mit der hinterlistigen Absicht, den heute noch gehegten und gepflegten Hirsch bei nächster Gelegenheit ins Blatt zu treffen. Denn der Wildstand hier entspricht einer Paradetruppe. »Letzlingen«, so heißt es, »ist für den Gebrauch. Werbellin und Grimnitz aber sind für die Repräsentation.« Dort jagen die Hohenzollern um des Jagens willen; im Werbellin jagen sie nur an Forst- und Galatagen, um ihren Gästen zu zeigen, was hohe Jagd in den Marken sei.
Letzlingen nichtsdestoweniger ist ein Rival, und in dieser und jener Branche sogar ein siegreicher. Aber an Rotwild bleibt Werbellin à la tête. Seine Forsten umschließen dreitausend Hirsche, die größte Zahl, die, soweit die Kenntnis davon reicht, an irgendeinem Punkte der Welt, innerhalb eines abgegrenzten Reviers gehalten wird. 76 Hier war denn auch, wie selbstverständlich, der Platz, wo sich die Zahl der getöteten Hirsche (denn trotz des Prinzips der Schonung müssen die alten weggeschossen werden) auf eine Höhe bringen ließ, die selbst von den Taten des Cooperschen »Hirschtöters« schwerlich erreicht worden ist. Der jetzt im Potsdamer Wildpark angestellte Wildmeister Grußdorf war dreißig oder vierzig Jahre lang Förster im Werbelliner Forst, und die Leute versichern von ihm, daß er derjenige Jäger sei, der in seinem Leben die meisten Hirsche geschossen habe. Er kannte nicht nur alle, die überhaupt da waren, er fand auch alle, die er finden wollte, und traf alle, die er treffen wollte. Nur vom bayrischen Grafen Arco heißt es, daß er unserem Grußdorf als »Hirschtöter« möglicherweise gleichgekommen sei.
Im Werbelliner Forst befinden sich dreitausend Hirsche. Nur um die Brunstzeit, etwa von Mitte September bis Mitte Oktober, umschließt er noch tausend
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