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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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mehr. Dann erscheinen die Wanderhirsche. Sie kommen aus den benachbarten Landesteilen, aus Mecklenburg, Pommern, Schlesien, selbst aus Polen und Ostpreußen, also bis hundert Meilen weit. Alle diese Gegenden, namentlich die nordöstlich gelegenen, haben weniger Weibchen in ihren Wäldern, und dieser Umstand treibt die männlichen Hirsche westwärts und speziell an das Seeufer des Werbellin. Hier ist dann Rendezvous, »Konvivium« wie es die Leute nennen. Weil der Weg weit und die Fährlichkeit der Reise groß ist, so machen sich nur die stärksten Tiere auf den Weg, wissen auch wohl, daß sie als Eindringlinge kommen und daß es ohne schwere Kämpfe, ohne den ganzen Zorn erwachter Eifersucht, nicht abgehen wird. Diese Kämpfe finden denn auch jedesmal statt, aber überraschenderweise selten mit den eigentlichen Herren des Forstes, sondern gemeinhin unter den Herbeigekommenen selbst. Sie fechten Eindringling gegen Eindringling, etwa Pole gegen Ostpreuße, oder Schlesier gegen Pommer, und das Resultat ihrer Streitigkeiten pflegt in den meisten Fällen das zu sein, daß, während die beiden fremdländischen Heroen miteinander kämpfen, auch wohl sich töten, der einheimische Märker den Liebespreis davonträgt.
    Die fremden Hirsche bleiben etwa vier Wochen. Dann kehren sie wieder heim.
    Seit einem Menschenalter hat sich dieser Zuzug von außenher etwas verringert. Wahrscheinlich infolge des Jahres 1848. Die Jagdfreiheit machte damals den Marsch von Polen und Preußen bis in die Mark noch erheblich gefährlicher als in ruhigeren Zeiten und die Gefahren jenes Jahres scheinen wenigstens bei den Wanderhirschen unvergessen zu sein.
     
    *
     
    Wir treten zum Schluß aus dem Forste heraus, wieder an den See, den »Werbellin«, der all dieser Umgebung: Wald, Burg, Dorf, seinen Namen gegeben.
    Einladend wie der See, waren auch seine Fische. Es war ein Muränensee, und sehr wahrscheinlich der größte und schönste unter denen, die sich mit ihm in die gleiche Namensehre teilen. 77 Auch schon in kurfürstlichen Tagen wußte man davon, und 1565 schrieb Kurfürst Joachim an den Magistrat zu Neustadt-Eberswalde und ordnete an: »maßen man gegen Fastelabend etzlichvieler Fische benötigt wäre, so viele Muränen und Karpfen, als nur zu bekommen wären, in dem »Werbellin« fangen und mit zwei Pferden und Wagen zur kurfürstlichen Küche bringen zu lassen.«
    Mit diesen Muränen ging es noch fast dreihundert Jahre lang, bis es plötzlich ein Ende damit hatte. Der Kormoran kam. Der Kormoran oder schwarze Seerabe, sonst nur in Japan und China heimisch, hatte auf seinen Wanderzügen auch einmal den baltischen Küstenstrich berührt und es am ›Werbellin‹ anscheinend am wohnlichsten gefunden. Denn hier war es, wo er sich plötzlich zu vielen, vielen Tausenden niederließ. Der schöne Forst am See hin bot prächtige Bäume zum Nesterbau und der See die schönste Gelegenheit zum Fischen. Nun scheint es, waren die Kormorans insonderheit auch Feinschmecker, und statt sich mit all und jedem zu begnügen, was ihnen in den Wurf kam, richtete sich ihr Begehr vor allem auf die Muräne. Sie fischten nach ganz eigentümlichen Prinzipien, und betrieben den Raub nicht als einzelne Freibeuter, etwa wie Fischreiher und ähnliche auf niedrigster Stufe der Kriegskunst stehende Tiere, sondern das Geheimnis taktischen Zusammenwirkens hatte sich ihnen in seiner ganzen Bedeutung erschlossen. Sie manövrierten in Reih und Glied und mit Hilfe ihrer Taucherkünste den See auch in seinen verschiedenen Tiefen, sozusagen in all seinen Etagen beherrschend, glückte es ihnen, überall da, wo sie Stand nahmen, ein lebendiges Netz durch den See zu ziehen: jede Masche ein geöffneter Kormoranschnabel. 78 Die Fischer mühten sich umsonst, sie zu vertreiben. Es gab damals Kormorans am Werbellin, wie Fliegen in einer Bauernstube, und ein paar hundert mehr oder weniger machte keinen Unterschied. Auch der Forst litt, denn in manchem Baume hatten die Kormorans zehn Nester und es schien nicht möglich, ihrer Herr zu werden. Da ward endlich ein Vernichtungskrieg beschlossen. Alle Förster aus den benachbarten Revieren wurden herangezogen, das Gardejägerbataillon in Potsdam schickte seine besten Schützen und so rückte man ins Feld. Zuletzt waren Pulver und Blei stärker als die Kormorans, und sie blieben entweder auf dem Platze oder setzten ihren Zug in friedlichere Gegenden fort. Sind auch nicht wieder gekommen. Aber die Muränen auch nicht.
    Die Muränen sind hin wie

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