Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Wahrscheinlich um das Jahr 1750. 1754 finden wir ihn als Taufpaten im Liebenberger Kirchenbuch, und ungefähr um dieselbe Zeit war es, daß er am Hofe der Königinmutter die Bekanntschaft des schönen Fräuleins Else Sophie von Platen machte, mit der er sich bald danach vermählte. Während des zwei Jahre später ausbrechenden Krieges verblieb er nicht bloß in seinem Hofmarschallamte, sondern auch in steter Umgebung der ebenso schönen, wie liebenswürdigen Prinzessin Heinrich, gebornen Prinzeß von Hessen-Kassel, die damals noch in keinem Zerwürfnis mit dem Prinzen, ihrem Gemahl, lebte, vielmehr als »la belle fée«, »La Divine«, »L'incomparable« usw. die gefeiertste Dame des Hofes war.
Auch 1760 befand sich von Kraut in unmittelbarer Umgebung der Prinzessin und begleitete dieselbe nach Magdeburg, wohin sich um eben diese Zeit alles, was zum Hofe gehörte, flüchtete, weil das Vorrücken der Russen und Österreicher ein Verbleiben in der Hauptstadt als mindestens unrätlich erscheinen ließ. In den Tagebuchblättern der Gräfin von Voß, geborene von Pannwitz, begegnen wir vielfach Aufzeichnungen aus jener Magdeburger Zeit, in denen neben anderem auch unseres Hofmarschalls Erwähnung geschieht. Ich gebe die betreffenden Stellen.
»1. September 1760. Ich schrieb heute nach Berlin, aß bei Frau von Kraut, spielte nach Tisch Komet mit dem Prinzen von Usingen, Baron Müller und Kraut und fuhr um fünf nach Hause.
11. September. Als ich frisiert und angezogen war, ging ich zur Prinzessin. Zu Tische war ich bei der Kraut, deren Geburtstag wir feierten. Auch die Knesebeck, Prinz Usingen und Oberst Lilienberg waren zugegen. Alles war in heiterer und übermütiger Laune, und nach dem Kaffee wurde wie immer Karte gespielt.
12. September. Am Abend zunächst in die Assemblé beim Grafen Lamberg, wo ich mit Kraut und dem Prinzen von Nassau eine Partie machte. Von Lamberg aus (wo es sehr voll war) fuhr ich mit Kraut an den Hof. Die Königin war sehr verstimmt. Sie schalt über die großen Aufmerksamkeiten, welche man hier den gefangenen Ausländern erweise.
11.Oktober. Am Abend war ich bei der ›Belle Fée‹, die sehr böse auf Kraut war und ganz mit Recht, denn er hat in den Vorzimmern der Prinzessin aus Sparsamkeit Talglichter anstatt der Wachskerzen brennen wollen.
14. Oktober. Ich ging an den Hof und spielte Komet mit dem Prinzen von Preußen und der ›Belle Fée‹. Man erzählte, daß die Prinzessin Amalie zu Mittag bei der Prinzessin Heinrich angekommen sei und sich und ihr das Diner mitgebracht habe, um dem Hofmarschall Kraut einen Streich zu spielen, der zwei Speisen von dem bisherigen Küchenzettel der Prinzessin gestrichen hatte.
22. Februar 1761. Am Nachmittage hatten wir noch eine letzte Probe des Schäferspiels und um sechs Uhr ging Kraut hinunter und bat die Prinzessin, die Treppe heraufzukommen. In dem Moment, als sie eintrat, ging auch schon der Vorhang auf und der Chor fing an zu singen...«
Aus diesen wenigen Tagebuchstellen ergibt sich nicht bloß ein Zeit- und Lebensbild, sondern zugleich auch eine Charakteristik unseres Hofmarschalls. Und nicht zu seinen Ungunsten. Er hatte das Einsehen von einer gerade damals von allen Seiten her hereinbrechenden äußersten Gefahr, und empfand sehr richtig, daß in Tagen, in denen der König schrieb: »es gibt freilich Leute, die sich allen Schickungen unterwerfen, ich aber werde es nicht; ich habe für andere gelebt, für mich will ich sterben«, ich sage, der Hofmarschall empfand sehr richtig, daß in solchen Tagen eine kleine Prinzessin allenfalls auch ohne Wachslichter im Vorzimmer und mit zwei Gerichten weniger auskommen konnte. 25
Die vorgeschilderten Magdeburger Tage verlängerten sich bis in den Spätherbst 1761. Erst im November oder Dezember ebengenannten Jahres kehrte die Königin mit allem, was zum Hofe gehörte, nach Berlin zurück, allwo denn auch wenige Wochen später, und zwar am 24.Januar 1762, dem Hofmarschall von Kraut eine Tochter geboren wurde: Luise Charlotte Henriette von Kraut, unsere Krautentochter.
Über die folgenden fünf Jahre, soweit der Hofmarschall in Betracht kommt, schweigen alle Memoiren und Briefe. Das nächste, was wir von ihm erfahren, erfahren wir aus dem Löwenberger Kirchenbuche, woselbst es unterm 23. Dezember 1767 heißt: »Am heutigen Tage beschloß sein ruhmreiches Leben zu Berlin Abends 7 Uhr der weyland hochwohlgeborene Herr, Herr Carl Friedrich Freyherr v. Kraut, Hofmarschall im Hofstaate S. K. H. des
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