Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Hauswirten in die Schule
gegangen und hatten noch nicht gelernt, der trivials-
ten Ökonomie die Schönheit und Stattlichkeit der
Verhältnisse zu opfern. Es war noch die Epoche der
Treppen und Korridore, die Zeit der Renaissance.
Die Halle des Hauses nimmt uns auf, und zahlreiche
Familienportraits blicken auf uns nieder, als statt-
lichstes unter ihnen ein Portrait über dem Kamin. Es
ist das überlebensgroße Bildnis des alten Generallie-
utenants von Görtzke, des sogenannten »Paladins
des Großen Kurfürsten«, der im Jahr 1652 Schloß
1160
Friedersdorf erstand, es renovieren ließ und in ihm
verstarb. Wie derselbe lebenslang neben Derfflinger
gestanden und den Ruhm des alten Feldmarschalls
geteilt hatte, so fand er sich auch schließlich wieder
auf nachbarlicher Scholle mit ihm zusammen.
Dieses Bildnis über dem Kamin interessiert uns aus
mehr als einem Grunde. Ganz geharnischt, den
Kommandostab in der Rechten, die leichte Feldbinde
um den Hals, so steht der Alte da. Sein Helm ruht
neben ihm auf einem Felsenvorsprung, und das lan-
ge Haar fällt dunkel und beinah lockig herab. Finste-
rer Ernst und kalte Bestimmtheit sprechen aus sei-
nen Zügen. Es knüpft sich ein anekdotischer Hergang
an dieses Bild, charakteristisch für den Mann und die
Zeit und vielleicht auch für die Stellung, die die
schönen Künste damals in brandenburgischen Lan-
den einnahmen. Görtzke war bei Lützen schwer ver-
wundet worden und hinkte seitdem; sein linker Fuß
war zu kurz geheilt, und eine dicke, handhohe Holz-
sohle mußte wiedergutmachen, was das Unglück
oder das Ungeschick des Arztes verschuldet hatte. Es
scheint, daß er sich an diesen Holzfuß nicht gern
erinnern ließ oder eine Vorstellung von der Pflicht
des Idealisierens hatte, die dem romantischsten Ver-
treter der ehemaligen Düsseldorfer Schule Ehre ge-
macht haben würde. Als der Maler ihm das Bild
brachte, fiel Görtzkes Auge zuerst auf die Holzsohle,
die natürlich nicht fehlte, und im Unmut über den
gewissenhaften Realisten warf er ihn die Treppe hin-
unter. Eine kaum minder empfindliche Strafe folgte:
Görtzke behielt das Bild und verweigerte die Zah-
lung.
1161
Das lebhafte Interesse, das wir zeigen, führt zu der
Mitteilung, daß noch ein zweites Bild des alten Paladin, ein Grabsteinbild, vorhanden sei, und diesem
zweiten Bildnisse durch die Kiesgänge des Parkes hin
nachgehend, blicken wir alsbald in eine Dorfkirche
hinein, die sehr wahrscheinlich in märkischen Landen
nicht ihresgleichen hat. Ein Zusammenwirken von
Umständen war nötig, um eine Ausschmückung wie
diese zu schaffen: lang andauernder Besitz und ein
Herz für Kunst und Kirche . Saubere Pfeiler von braunem Eichenholz tragen die weit vorspringenden Em-
poren, und allerhand Bilder und Inschriften umziehen
die Brüstung derselben. Überall treten aus dem alten
Mauerwerke Grabmonumente hervor, und Portraits,
Sarkophage, Büsten und symbolische Figuren leihen
diesem Kircheninneren etwas von dem Schönheitli-
chen und beinah heiter Anregenden eines Museums.
Was den Eindruck dieser künstlerischen Heiterkeit
noch steigert, ist das Vorherrschen der Farbe oder
doch ihr glückliches Sichvermählen mit dem Weiß
des Marmors. Steinerne Grabmonumente wecken oft
mehr Schauer als Erhebung, hier aber werden die
weißen Marmorgruppen zu bloßen Umrahmungen für
die Bilder, die nun den Sieg über den kalten Marmor
und die noch kältere Symbolik davontragen. Der Sa-
turn wird zum gemütlichen Alten, wenn er ein Me-
daillonbild in Händen hält, das in allen Farben des
Lebens lacht.
Unter solchen Betrachtungen sind wir das Mittelschiff
hinaufgeschritten und werden nunmehr, unmittelbar
zur Linken des Altars, jenes Görtzkeschen Steinbildes
gewahr, das zunächst Veranlassung zu unserem Kir-
1162
chenbesuche gab. Neben ihm, in gleicher Höh und
Größe, ist das Reliefbild seiner Gemahlin, einer gebo-
renen von Schlieben, in den Wandpfeiler eingelassen.
Beide Grabsteine lagen früher an anderer Stelle,
unmittelbar über der Gruft, und erst bei Renovierung
der Kirche hat man sie aufgerichtet und ihnen den
Ehrenplatz neben dem Altar gegeben. Vergleicht man
dieses Steinbild des alten Görtzke mit seinem Ölport-
rait in der Halle, so bemerkt man allerdings Ver-
schiedenheiten. Der Klumpfuß und die Krücke zeigen
sich auch hier; ebenso tritt einem etwas typisch
Märkisches im Ausdruck des Kopfes entgegen. Aber
hiermit sind auch
Weitere Kostenlose Bücher