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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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moralischen

Prinzipien? Ist der reichste Staat seines Reichtums
    wegen der glücklichste? Oder verdient der glücklich genannt zu werden, in welchem die Freiheit der Bürger am festesten gegründet ist und in welchem die
    Bürger am ehesten fähig sind, ihr persönliches Wohl
    dem des Staates nachzusetzen? Und wenn ein Staat
    durch die Unbürgerlichkeit seiner Bürger (Adel, Bür-
    ger, Bauer) gefallen ist, kann ihm durch ökonomi-
    sche Maßregeln geholfen werden? Wird es nicht
    vielmehr darauf ankommen, ob man das verlassene, das abgefallene Volk zur Bürgerlichkeit wieder zu-rückführen kann? Und wenn man endlich den ent-

    1190
    bürgerten, also selbstsüchtigen Individuen Reichtum
    darreicht, werden sie dadurch bürgerlicher werden
    oder nicht vielmehr noch selbstsüchtiger? Diese Fra-
    gen waren es, die sein Herz bewegten, und im Sinn
    und Geist derselben stellte er sich Hardenberg ge-
    genüber.
    Möglich, daß diese Ideen nie über Schloß Frieders-
    dorf hinaus laut geworden, nirgends als ein Samen-
    korn in die Gemüter anderer gefallen wären, wenn
    nicht bestimmte Ereignisse des Jahres 1811 unsern
    Marwitz auf die Schaubühne gerufen und in den Vor-
    dergrund politischer Kämpfe gestellt hätten. Wie es
    immer in solchen Fällen sein muß, ging er , der den Streit aufnahm, vom Zunächstliegenden auf das
    Große und Allgemeine über. Der Rechtskampf führte
    zum Prinzipienkampf . So war es immer, wo Ernstes und Nachhaltiges erstritten wurde. Das bloße Sich-verlieben in Prinzipien ohne festes Fundament bleibt
    in der Regel ein energieloses Ding.
    Die erwähnten Ereignisse aber, die für Marwitz' spä-
    teres Auftreten entscheidend wurden, waren die fol-
    genden.
    Hardenberg war entschlossen, die Macht der Stände
    zu brechen, ihre Existenz zu streichen; Schlag auf
    Schlag fiel gegen die alte Landesinstitution. Er ver-
    fuhr nach bester Überzeugung, aber völlig revolutio-
    när, alles mit dem Zwang und Drang der Umstände
    oder mit einer höheren Staatsraison entschuldigend.
    Äußerste Dinge geschahen. Königliche Domainen, die
    an die Stände verkauft, also für ständisches Geld

    1191
    ständisches Eigentum geworden waren, wurden zum
    zweitenmal an Privatleute verkauft; ein großer
    Fonds, den die Stände unter Friedrich II. aus politi-
    schem Eifer gebildet hatten, um die endliche Tilgung
    landesherrlicher Schulden herbeiführen zu können, wurde eingezogen, aber nichtsdestoweniger die
    Pflicht der Schuldentilgung und Verzinsung bei den
    Ständen belassen; endlich drangen Regierungsbeam-
    te in Begleitung von Landreitern in das Landschafts-
    haus ein, erbrachen, als man ihnen die Schlüssel
    verweigerte, die Kassen des Landarmeninstituts und
    führten die deponierten Summen ständischen Eigen-
    tums gewaltsam fort. Dies alles war geschehen ge-
    gen Recht und Billigkeit, ja im Widerspruch mit einer
    Anerkenntnis, die man erst vier Monate früher gegen
    die Loyalität und Opferfreudigkeit der Stände ausge-
    sprochen hatte. »Mit Rührung«, so hieß es damals
    wörtlich in einem von Hardenberg kontrasignierten
    Erlasse, »haben wir die Beweise von Anhänglichkeit
    aller Klassen unserer getreuen Untertanen an unsere
    Person bemerkt, insonderheit auch die Hülfe erkannt , welche uns bei der Sicherstellung der Kontribution an
    Frankreich und bei der Aufbringung der einstweilen
    nötigen Fonds von unsern getreuen Ständen mit
    größter Bereitwilligkeit geleistet worden ist .« – Und nun? Mit Gewaltmaßregeln hatte man geglaubt, der
    weiteren Hülfebereitschaft der Stände nachhelfen zu
    müssen. Viele fühlten die Bitterkeit des Unrechts,
    aber wenige hatten den Mut, auszusprechen, was sie
    fühlten. Unter diesen wenigen stand Marwitz obenan.
    Er war der bewußteste und selbstsuchtsloseste und
    konnte energischer auftreten als andere, weit er im
    eigenen Herzen empfand, daß er den Kampf nicht

    1192
    um äußern Vorteils, nicht um einer »Kasse«, sondern
    um Rechtes willen aufnahm.
    Er stellte sich an die Spitze der lebusischen Stände
    und protestierte . Er bat nicht, er bettelte nicht, er betonte das ständische Recht . Das war dem Minister zuviel, und je mehr er fühlen mochte, wie schwer der
    begangene Rechtsbruch sei, desto mehr empfand er
    die Notwendigkeit, die Klage stumm zu machen. Ein-
    schüchterung sollte helfen. Marwitz und Graf Fin-
    ckenstein, die den Protest abgefaßt hatten, wurden
    zu »warnendem Exempel« auf die Festung Spandau
    geschickt. Das Kammergericht selbst, als

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