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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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konnte. Den entschei-
    denden Stoß tat sein Lebuser Bataillon, was zu dem Stolz, den er an diesem Tage über die tapfere Haltung seiner ganzen Brigade empfand, auch noch eine

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    gewisse lokalpatriotische Befriedigung fügte. Die
    Verluste seines Truppenteils waren nicht unbedeu-
    tend gewesen, er selbst kam gesund heraus und er-
    hielt nur – ähnlich wie bei Jena, wo sein Hut mehr-
    fach durchlöchert worden war – eine Kugel durch den
    Mantel.

    1. Noch auf dem Stettinschen Landtage im
    Jahr 1602 hatte die Ritterschaft feierlich ge-
    schworen, denjenigen, der sich künftig wei-
    gern werde, richtige Schulden prompt zu be-
    zahlen, für einen Unmann, Schelm und Böse-
    wicht zu halten und mit ihm weder essen
    noch trinken zu wollen. Versündigung am Va-
    terland, Höhnung des Gottesdienstes, grobe
    Insolenz, mutwilliger Bankerott sollte der rit-
    terschaftlichen Vorrechte verlustig machen
    und den Gutsbesitz auf den würdigeren Agna-
    ten bringen. In solchem wahrhaft ritterlichen
    Sinne hatten der pommersche und branden-
    burgische Adel ihre Kinder meist in spartani-
    scher Genügsamkeit für den Dienst des Kö-
    nigs erzogen, und die Schlachtfelder, auf de-
    nen Preußen seine Ebenbürtigkeit mit den
    großen Mächten errungen, hatten dem Stande
    den ersten Rang nach dem regierenden Hause
    gegeben. (Pertz, »Leben Steins«.) Und Mar-
    witz selbst schreibt über denselben Gegens-
    tand: »In der Tat hat es niemals eine Institu-
    tion gegeben, in welcher das Rittertum ähnli-
    cher wieder aufgelebt wär als in dem Offi-

    1199
    zierstande Friedrichs des Zweiten. Dieselbe
    Entsagung jedes persönlichen Vorteils, jedes
    Gewinstes, jeder Bequemlichkeit – ja, jeder
    Begehrlichkeit, wenn ihm nur die Ehre blieb;
    dagegen jede Aufopferung für diese, für sei-
    nen König, für sein Vaterland, für seine Ka-
    meraden, für die Ehre der preußischen Waf-
    fen. Im Herzen Pflichtgefühl und Treue, für
    den eigenen Leib keine Sorge.«

    2. Marwitz, in seiner Bitterkeit, erklärte dies
    daraus, daß der Justizminister Kircheisen eine
    »Kreatur Hardenbergs« gewesen sei. Die ei-
    gentliche Erklärung – wie überhaupt die Er-
    klärung alles dessen, was an Rechtsverun-
    glimpfungen vorausgegangen war – liegt wohl
    darin, daß in der allgemeinen Anschauung des
    Volks, an der eben jeder mehr oder weniger
    teilnahm, ein ständischer Staat seit lange
    nicht mehr existierte. Die Stände hatten ne-
    ben der absoluten obersten Regierungsgewalt
    eine Art geduldetes Dasein geführt, die Köni-
    ge waren so viel und die Stände so wenig ge-
    wesen, daß, als der Moment kam, wo die
    zweifellos in ihrem Recht gekränkten Stände
    wieder etwas sein wollten, niemand mehr ei-
    nen rechten Glauben an die Rechtmäßigkeit
    ihres Rechtes hatte.

    Das Gefecht von Hagelberg war, während des Feld-
    zugs von 1813 und 1814, das einzige, wo es – von

    1200
    einer Reihe glücklich ausgeführter Streifzüge abge-
    sehen – unsrem Marwitz vergönnt war, sich persön-
    lich und in mehr oder minder entscheidender Weise
    hervorzutun. Die Einschließung Magdeburgs, wozu
    man ebenfalls seine Brigade verwendete, hielt ihn
    vom großen Kriegsschauplatz fern. 1815 war er bei
    der Blücherschen Armee und focht mit Auszeichnung
    bei Ligny und Wavre. Bei Wavre, wo so viel auf dem
    Spiele stand, hielt er mit dem 8. Ulanenregiment
    während des ganzen 19. Juni den exponiertesten
    Posten. Er hatte das Seine getan. An mäßige oder
    zögernde Anerkennung war er gewöhnt.
    Der Friede kam, und in Marwitz, der inzwischen zum
    Obersten (1817 zum General) aufgestiegen war, ent-
    stand die Frage: bleiben oder gehen . Die Neigung seines Herzens zog ihn zurück in die ländliche Stille,
    aber andere Erwägungen – »das schlechteste aller
    Motive, das Geld«, wie er sich selber ausdrückt –
    hinderten ihn, seiner Neigung zu folgen. Während
    der Kriegsjahre war daheim alles rückwärtsgegan-
    gen, der Wohlstand zerstört, die Erträge des Guts
    auf ein Minimum reduziert, und so blieb er denn im
    Dienst weil er sich gegen Frau und Kinder verpflich-
    tet hielt, seinen Generalsgehalt nicht ohne Nötigung
    aufzugeben. Möglich, daß er trotzdem zurückgetre-
    ten wäre, wenn nicht die zu seiner Brigade gehörigen
    Regimenter ihre Garnisonen in den Nachbarstädten
    des lebusischen Kreises gehabt hätten, so daß es
    ihm möglich wurde, von Friedersdorf aus die dienstli-
    chen Geschäfte zu leiten. Zu gleicher Zeit blieb er ein scharfer Beobachter der politischen

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