Wanderungen durch die Mark Brandenburg
auch noch den Titel führte. »Paul von
Fuchs, ein brandenburgisch-preußischer Staatsmann
vor zweihundert Jahren. Biographischer Essay von
F. von Salpius«. Und am Schlusse dieses Buches hieß
es, nicht dem Wortlaute, wohl aber dem wesentli-
chen Inhalte nach, wie folgt:
»Am 7. August 1704 verschied Paul von Fuchs, Ge-
heimrat und Etatsminister, auf seinem Gute Malchow
bei Berlin, das er schon 1684 durch Tausch an sich
gebracht und allwo er ein ›artiges Haus‹ für sich und
seine Familie hergerichtet hatte. Der König pflegte
ihn von dem nahe gelegenen Niederschönhausen aus
häufiger auf diesem seinem Landsitze zu besuchen.
Auch an jenem 7. August war ein solcher Besuch
beabsichtigt, aber unterwegs schon erfuhren Ihre
Majestät den Tod Ihres treuen Dieners. Paul von
Fuchs war in seinem vierundsechzigsten Jahre ver-
storben. Johann Porst, dazumalen Pfarrer zu Mal-
chow – später Dompropst und Beichtvater der Köni-
gin, bekannt als Herausgeber des Porstschen Ge-
sangbuches –, hielt eine Predigt zum Gedächtnis des
Heimgegangenen, darinnen es hieß, daß er ›seine
dauerhaften Kräfte und beständige Gesundheit zum
Heil des Landes und Wohlsein der Kirche aufgeopfert
habe‹. Bald darauf wurde der Sarg in der Gruft zu
Malchow beigesetzt und steht ebendaselbst zwischen
den Särgen seiner vor ihm gestorbenen Schwieger-
tochter und seiner zweiten Frau, ›née de Friede-
born‹. Das Fuchssche Wappen aber befand sich noch
bis 1874 am herrschaftlichen Stuhl der Kirche.«
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Wer sich auf Urnen und Totenköpfe versteht und
überhaupt nur ein Äderchen von einem Sammler
oder Altertümler in sich hat, begreift, daß diese Notiz eine gewisse Malchow-Sehnsucht in mir wecken und
eine »Wanderung« dahin zu einer bloßen Frage der
Zeit machen mußte. Mit dem ersten Maienschein, an
grünen Saaten vorbei, hofft ich den Ausflug unter-
nehmen und nach »manch verborgenem Schatz«
ausschauen zu können. Aber es war anders be-
schlossen, und aus einer Wanderung bei Finken-
schlag und Apfelblüte wurd eine Wanderung bei
Nordwest und Schneegestöber: eine Weihnachts-
wanderung .
Eine Wanderung nach Malchow, so kurz sie ist, glie-
dert sich nichtsdestoweniger in drei streng geschie-
dene Teile: Omnibusfahrt bis auf den Alexanderplatz, Pferdebahn bis Weißensee, und per pedes apostolo-rum bis nach Malchow selbst. Und so vollzog es sich auch. Auf dem Alexanderplatz regierten bereits die
fliegenden Söhlkes mit dem »Schäfchen« und dem
»Schaukelmann«, dessen Birnen sich noch gerade so
gelb und rot gesprenkelt zeigten wie vor funfzig Jah-
ren, in den Tagen meiner eigenen Kindheit; in dem
Pferdebahnwagen aber, in den ich einstieg, war es,
als wäre der Weihnachtsmann mit oder vor mir ein-
gestiegen und gedenke seinen Einzug in Weißensee
zu halten. Alle Plätze voller Kinder mit ihren Schul-
mappen auf dem Rücken, und hinten und vorn im
Wagen und vor allem obenauf ganze Büsche von
Weihnachtsbäumen. Das war das Vergnügen an der
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Fahrt, viel vergnüglicher als die Vergnügungslokale,
die mit ihren grasgrünen Staketenzäunen halbver-
schneit am Wege lagen.
Endlich hielten wir am Ende des Dorfes, und der Um-
spannungsmoment war nun für mich da: Schusters
Rappen mußt aus dem Stall. Er war's auch zufrieden,
und willig und guter Dinge zog ich »fürbaß«, unange-
fochten von der Öde der Landschaft. Aus den
Schneemassen, die die Felder zu beiden Seiten deck-
ten, wuchsen nur ein paar vertrocknete Grashalme
auf und zitterten im Winde, während die Chaussee-
pappeln wie nach oben gekehrte Riesenbesen da-
standen. Aber so trist und öde die Landschaft war, so
voller Leben war die große Straße, darauf ich ging,
denn in langer Reihe folgten sich die Gespanne, die
von den benachbarten Seen her hoch aufgetürmte
Eismassen zur Stadt fuhren.
»Nach Malchow?« fragt ich, um mich des Weges zu
vergewissern.
»Joa; 't nächste Dörp.«
Und in der Tat, nicht lange, so wurd auch der kurze
Laternenturm zwischen den Pappelweiden sichtbar,
und unter einem Schlagbaume fort, der hier noch
aus den Tagen der Hebestellen her sein Dasein fris-
tete, hielt ich meinen Einzug.
»Wo wohnt der Lehrer?«
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Ein junges Frauenzimmer, an das ich die Frage ge-
richtet hatte, trat mit einer für märkische Verhältnis-
se bemerkenswerten Raschheit von der Hausschwelle
her auf den Damm und sagte: »Da; das rote Haus.«
»Gegenüber der Kirche?«
»Ja.«
Und
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