Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
abgekauft.«
Francesca sah mit großen Augen zwischen Kamal und dem Pferd hin und her. Dann rannte sie zu dem Hengst und schlang ihre Arme um seinen Hals. Auf ein Zeichen von Kamal entfernten sich die Burschen. Francesca küsste Rex auf die Nüstern und flüsterte ihm zu, wie sehr sie ihn vermisst habe. Rex nun so fern der Heimat bei sich zu haben, gab ihr einen Teil dessen zurück, was sie zurückgelassen hatte und nie mehr wiederhaben würde. Sie schmiegte sich an das Pferd, als könnte sie mit dieser Umarmung gleichzeitig ihre Mutter, Fredo und Sofía umarmen. Der würzige Geruch des Tieres rief Erinnerungen an die Gerüche auf dem Land und in der Stadt wach, an die Küche der Villa, den Garten, die Wohnung ihres Onkels. Denn Rex gehörte zu dieser Welt und trug ein wenig von all diesen Dingen in sich. Heimweh überwältigte sie, und als ihr das Herz schwer zu werden begann von all den glücklichen Erinnerungen, wandte sie sich zu Kamal um, der am Gatter lehnte. Er kam langsam auf sie zu und lächelte sie an.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, mein Liebling.«
»Du hast daran gedacht«, flüsterte sie gerührt.
Zum ersten Mal ritten sie gemeinsam durch die Oase. Als sie feststellten, dass die verschwiegene Stille der Wüste die Geräusche aus dem Lager verschluckt hatte, hielten sie die Pferde an. Gegen den rauen Stamm einer Palme gelehnt, liebten sie sich. Kamal hob sie kraftvoll hoch, und sie umschlang seine Hüften. Ganz alleine inmitten der Oase, fernab von allem, ließen sie ihrer Lust freien Lauf. Während der Orgasmus ihre Sinne vernebelte und ihre Körper entflammte, schrien sie laut und ohne Hemmungen, verzehrt von diesem lodernden Feuer, das nur der andere zu löschen vermochte. Schließlich hielt Kamal inne, um die letzten Wellen dieser Sinnlichkeit zu genießen, die von Francesca ausging und die ihn um den Verstand brachte. Er hielt sie immer noch fest, ihren Rücken gegen den Baumstamm gelehnt, die Beine um seine Hüften geklammert, und gestand ihr keuchend: »Allah steh mir bei, ich bin rettungslos verloren deinetwegen. Du hast mir den Verstand geraubt, und nichts hat mehr Bedeutung für mich, außer, dich zu besitzen.«
Schweigend zogen sie sich wieder an.
»Ich habe mich noch nicht für Rex bedankt«, sagte Francesca dann und hielt ihn am Handgelenk fest. »Es ist für mich, als hättest du mit einem Fingerschnipsen eine der schönsten Erinnerungen herbeigezaubert, die ich in Argentinien zurückgelassen habe.«
»Da gibt es andere, die ich gerne mit einem Fingerschnipsen aus deinem Kopf verschwinden lassen würde«, bemerkte Kamal.
»Das hast du längst getan.«
Sie saßen wieder auf und ritten wortlos weiter, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft.
»Wie bist du eigentlich an Rex gekommen?«, fragte Francesca nach einer Weile. »Sag nicht, dass du nach Argentinien geflogen bist.«
»Du weißt ja, dass mein Hauptgeschäft der Handel mit Pferden ist. Ich bin es gewohnt, überall auf der Welt Tiere zu kaufen und zu verkaufen. Als ich das Foto von Rex auf deinem Nachttisch sah, habe ich mich sofort mit meinem Agenten in Paris in Verbindung gesetzt und ihm aufgetragen, ihn zu kaufen. Er ist dann nach Córdoba gereist und hat den Vertrag mit Martínez Olazábal gemacht. Anfangs hat der Vorarbeiter des Landguts ein wenig Widerstand geleistet.«
»Don Cívico!«, rief Francesca. »Sobald ich wieder in Riad bin, werde ich ihm schreiben und alles erklären. Er wird es nicht glauben! Kamal, du weißt gar nicht, wie glücklich du mich gemacht hast. Endlich gehört Rex mir, und ich brauche mich nicht mehr zu verstecken, um ihn zu reiten.«
Auf dem Rückweg zum Lager waren beide bester Laune.
An diesem Abend nahmen der Scheich und seine Begleiter nur einen kleinen Abendimbiss zu sich und sprachen wenig. Dann gingen sie schlafen, ohne noch länger zusammenzusitzen oder genussvoll eine Wasserpfeife zu rauchen. Kamal brachte Francesca zu ihrem Zelt, wo sie sich in den Eingang setzten und den Sternenhimmel betrachteten. Francesca schmiegte sich in Kamals Arme und ließ sich von seiner Stimme einlullen, während er ihr Geschichten von geflügelten Pferden, fliegenden Teppichen und Flaschengeistern erzählte. Irgendwann war sie fest eingeschlafen, und Kamal hob sie hoch und trug sie zum Bett, wo Zobeida auf sie wartete, um sie auszuziehen und mit den duftenden Laken zuzudecken.
***
Am nächsten Tag war Kamal bis in den späten Nachmittag mit seinem Großvater auf der Falkenjagd, eine Kunst,
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