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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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Augenbraue.
    Joe stellte den Kopf schräg. »Bitte...«, sagte er spöttisch, allerdings nur ein wenig: Marian gestattete er es weiterhin, daß sie ihm gegenüber einen laxeren Ton anschlug. »Mach ihn am besten schön stark...«, fügte er hinzu, als sie zur Kaffeemaschine in der Ecke des Labors ging.
    »Gestern abend wohl ein bißchen spät ins Bett gekommen?« flachste sie, bemüht, die lockere Atmosphäre aufrechtzuerhalten: Sie war so selten geworden im Labor, meistens herrschte eine unangenehme Spannung. Außerdem interessierte es sie wirklich. Wie viele Leute, die Joe kannten, wollte sie die gebührende Anstandsfrist abwarten und ihm dann einige ihrer Singlefreundinnen vorstellen. Das gebrochene Herz, der junge Witwer, und dazu auch noch der kleine Sohn — Joe war einfach der perfekte Kandidat.
    »So könnte man es nennen...«
    Sie löffelte Kaffee in den Filter und wartete, bis die Maschine zu blubbern begann, ehe sie ihren weißen Kittel vom Haken an der Tür holte. Als sie ihn zuknöpfte, war Joe dankbar für seinen, für die Tarnung, die er ihm bot, denn er hatte keine Lust auf irgendwelche besorgten Fragen zu antworten, die bestimmt kämen, wenn sie bemerkte, daß er noch genau dieselben Kleider wie gestern trug.

    Anfang des Sommers war Joe, auf Rat seines Arztes, den er nur wegen eines hartnäckigen Hustens aufgesucht hatte, zu einer Hinterbliebenenberatung gegangen. Ehe die Nadel seines Lebens so heftig in den roten Bereich ausschlug, hatte Joe Therapien immer ziemlich spöttisch als typisch hypochondrische Mittelschichtsselbstbespiegelung abgetan. Sogar als er und Emma aus der Ehebahn geworfen wurden, war es ihm nie in den Sinn gekommen, zu einer Paartherapie zu gehen — obwohl er sich im nachhinein wunderte, warum Emma es nie vorgeschlagen hatte: Es hätte zu manch anderem New-Age-Glaubensbekenntnis von ihr gepaßt. Als er dann das erste Mal Charlene aufsuchte, eine Amerikanerin aus Boston mit einer gewaltigen Mähne krausen schwarzen Haars und einem so starken amerikanischen Akzent, daß er ihren Mund in ständige Schieflage zwang, war es also nicht verwunderlich, daß Joe nur über die Therapie als solche reden wollte und nicht über das Problem.
    »Ich meine, wieso gehört Trauer therapiert...«, sagte er, während er auf der grünen Couch in Charlenes von Bücherregalen gesäumtem Zimmer lag — Charlene hatte sich auf Hinterbliebenenberatung spezialisiert, war aber ansonsten eine klassische Freudianerin — »...schon die Idee schreit doch zum Himmel und zeigt, was mit der Psychoanalyse nicht stimmt.«
    »Oihhhoih...« Durch das Metall ihres Akzents klang ihre Stimme mild, unberührt von Joes Aggression, wodurch sie ihm noch deutlicher zu Bewußtsein kam; er wußte selbst, daß er seit Emmas Tod aggressiver geworden war. Früher hätte er den Satz wahrscheinlich wenigstens mit »Ich will nicht unhöflich sein, aber...« eingeleitet, aber jetzt, jetzt schien ihm das die Luft nicht wert und schon gar nicht die Zeit. »Ich meine«, sagte er, und seine Stimme senkte sich, »der ganze Therapiekult suggeriert doch, daß alle Probleme lösbar sind. Weil sie alle...«, er tippte sich an seinen auf einer grünen Nackenrolle ruhenden Kopf, »bloß hier drin sind.« Er reckte den Arm und unterstrich sein nächstes Argument: »Aber nicht alle Probleme kommen aus einem selbst. Es gibt ganz reale Probleme, die von außen kommen.«
    Er schwieg. Er kannte sich nicht aus mit den Rhythmen einer Therapie, wußte nicht, wie oft man den Therapeuten zu Wort kommen lassen mußte.
    »Reden Sie weiter...«
    »Also, Trauertherapie scheint mir das allerdeutlichste Beispiel zu sein. Fast ein Widerspruch in sich. Denn beim Verlust eines Menschen... beim Tod ... da gibt es nichts zu therapieren. Das ist einfach eine schreckliche Sache. Die allerschrecklichste. Ganz gleich, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet, und gleich, was Sie den Leuten alles empfehlen, die so was durchgemacht haben, nichts kann daran etwas ändern.« Ein Wort kam ihm in den Sinn und überraschte ihn; er hatte das Mißtrauen des Wissenschaftlers gegenüber Worten, empfand sie oft als trügerische Gebilde mit verwischten, nicht zu fassenden Konturen. Aber diesmal hatte er das Gefühl, daß seine Wortwahl genau treffend war. »Man kann den Tod nicht lindern. Mit nichts.«
    In dem Schweigen, das seiner kleinen Ansprache folgte, konnte er Charlenes Atem hören, der von einem ständigen kleinen Pfeifton begleitet war; jedes Ausatmen klang fast wie ein

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