Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wasser zu Wein

Wasser zu Wein

Titel: Wasser zu Wein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
gemeint.
    Wenigstens war sie heute nicht frisch parfümiert. Und das mit der Tischdekoration wird sie mittlerweile ja wohl begriffen haben, dachte er, hob den Kopf und lächelte sie an.
    Elisabeth blickte gleichgültig zurück. Sie gab sich noch nicht einmal die Mühe, freundlich zu sein. Um so freundlicher wurde von der Lotte. An meiner Höflichkeit sollen meine Feinde zerschellen, war seine Devise.
    »Es ist schön, wieder bei Ihnen zu sein!«
    »Nett, daß Sie es einrichten konnten.« Elisabeth guckte an ihm vorbei.
    Er neigte den Kopf. Dann nahm er ein Glas mit Champagner vom Tablett, das eine junge Frau in langer weißer Kellnerschürze ihm hinhielt und ließ sich vom Menschenstrom in den großen Saal der »Traube« treiben, in dem Sebastian Klar seine Galadiners zelebrierte. Die meisten Gäste plapperten aufeinander ein, ohne nach rechts oder nach links oder gar nach oben zu schauen. Er aber legte, wie immer, wenn er die »Traube« besuchte, den Kopf in den Nacken, um die Augen im Anblick der getäfelten Decke mit ihren mächtigen Balken, kostbaren Schnitzereien und farbigen Bemalungen zu baden. Es war ein Anblick, der in ihm stets die Sehnsucht nach alter Pracht und Herrlichkeit auslöste, nach vergangener Größe, bis heute unerreicht. Manchmal fragte er sich, ob die Klars überhaupt begriffen, über welches Kleinod sie da verfügten.
    Seiner Meinung nach waren Hotel und Restaurant längst nicht auf dem einem so großartigen alten Haus angemessenen Niveau, ja noch nicht einmal von einer Güte, die den Stern rechtfertigte, den man den Klars im Michelin zugestanden hatte. Aber der verdankte sich, davon war er fest überzeugt, sowieso nur der Protektion ihres alten Bekannten August M. Panitz.
    Er hielt das Champagnerglas gegen das Licht. Sauber und untadelig. Dann nahm er den ersten Schluck, seufzte zufrieden auf und blickte in die Runde. Da stand er ja, der große Panitz, neben dem nicht weniger eminenten Broadbent. Von der Lotte spürte, wie sein Lächeln angestrengt wurde. Dennoch hob er das Glas und grüßte, mit gemessenem Kopfnicken, hinüber.
    »Herr Penibel«, hatte Panitz ihn einmal unter dem kaum unterdrückten Gelächter der Umstehenden genannt, als er ihn während einer gemeinsamen Veranstaltung höflich darauf aufmerksam gemacht hatte, daß das neue Bistrot von Hagen Link in Vinningen das überschwengliche Lob nicht verdiente, das Panitz ihm gespendet hatte. Nein, dachte er und blähte die Nasenflügel, man konnte ein Restaurant doch nicht belobigen, dessen Personal weder aufmerksam nachschenkte noch wußte, daß sich hinter »Pouligny-Saint-Pierre« kein Wein, sondern ein Käse verbarg! Panitz hatte diese Einwände »kleinkariert« genannt und sich auch noch zur öffentlichen Beleidigung eines Kollegen hinreißen lassen.
    Eines Kollegen? Manchmal hatte er so seine Zweifel, ob er wirklich dazugehörte zu diesem ewig kreisenden Wanderzirkus selbsternannter Wein- oder Feinschmeckerpäpste. Sein Metier war Lebensart – das Ensemble aller ästhetischen und sinnlichen Empfindungen also, die ein Leben von Stil auszeichneten. Er fühlte sich als Schriftsteller, nicht als Dienstleister für Möchtegern-Snobs. Von dieser Warte aus war ihm die hier versammelte Gastro-Szene – zu ordinär, um es ganz deutlich zu sagen. Er zuckte wieder mit der empfindlichen Nase.
    Unwillkürlich ging seine Hand zu der weinroten Fliege unter seinem Kinn. Die zahlenden Gäste glaubten wahrscheinlich alles, was ihnen Panitz oder die anderen Weinnasen so erzählten – als ob deren Urteil über dieses Gewächs oder jenen Produzenten objektiv wäre. Es war ein offenes Geheimnis, daß manch herumreisender Weinkritiker die Heckklappe seines Mercedes-Kombi unverschlossen ließ, damit die Winzer ihm unauffällig ein, zwei Kistchen hineinstellen konnten. Es konnte ihm niemand erzählen, daß solche Zuvorkommenheit sich nicht auch in den Ratings niederschlug.
    Er für sein Teil lobte nie. Man durfte höchstens hoffen, von ihm in einer seiner Kolumnen nicht erwähnt zu werden. Milde Gaben wies er zurück. Mein Markenzeichen ist Unbestechlichkeit, dachte er und blickte in die Runde, nachdem er wieder einen Schluck aus dem Glas genommen hatte. Panitz, immerhin, hatte verhalten, aber ordnungsgemäß zurückgegrüßt, Broadbent drehte ihm ostentativ den Rücken zu. Er guckte verzeihend hinüber zum großen alten Mann der internationalen Weinkritik. Nein, der bewies auch nicht immer Stil und Feingefühl. In seiner Jugend, so stand es in

Weitere Kostenlose Bücher