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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Lehm-und-Flechtwerk-Architektur, hatte eine gemeinsame Wand mit den Palisaden rings um die Faktorei, und der Schein des Feuers erhellte die oberen Enden der spitzen Pfähle, so daß sie wie eine Reihe angefeilter Eckzähne glühten. Mehrere abgerindete und gebleichte Baumstämme waren rund umdas Feuer vor der Hütte arrangiert. Damman Jummas Ehefrauen, Kinder, Cousins, Onkels und Hunde saßen bequem auf und vor diesen Stämmen, als wären es alles Sofas und Sessel, plauderten und scherzten, löffelten Schalen mit heißem Kuskus und mampften große Stücke Pökelfleisch aus den Vorräten des Entdeckungsreisenden. Als Mungo erschien, verstummte alles.
    «Beste Grüße», sagte Mungo, dem der Mandingo-Dialekt bleischwer über die Zunge ging. Keine Antwort. Der Entdeckungsreisende knöpfte seine Jacke zu und wieder auf, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und machte einen Ansatz zur Konversation. «Schmeckt euch das Pökelfleisch?»
    Eine fette Frau mit langgezogenen, verknoteten Ohrläppchen sah zu ihm auf, das Gesicht fettverschmiert. Magere Kinder, mißtrauisch blickende Hunde und grauhaarige alte Männer starrten ihn dermaßen unverwandt an, daß er fast glaubte, sie erwarteten von ihm, jetzt zu tanzen, zu jonglieren oder sonstwas. Damman Jumma sagte nichts, sondern blickte den Entdeckungsreisenden an und ließ dabei die Augen hin und her rollen, bis sie aussahen wie hartgekochte Eier.
    Mungo räusperte sich. «Ah, Damman, hm, also warum ich vorbeigekommen bin, äh, ich wollte fragen, du weißt schon, äh, ob du das herumerzählt hast, äh, mit der Expedition und den Spitzenlöhnen, die ich zahle.»
    Der Häuptling schob sich eine Scheibe Pökelfleisch in die Backe und begann geräuschvoll zu kauen. Alles beobachtete ihn schweigend. Er brauchte ein paar Minuten, um das gummiartige Fleisch zu zerteilen, hinunterzuschlucken und sich die Kehle mit einem langen Schluck aus der Kalebasse zu befeuchten. Als er den Entdeckungsreisenden wieder ansah, schüttelte er den Kopf.
«Babarram wo dodoto»
, sagte er. «Keiner will mit.»
    Der Entdeckungsreisende faßte es nicht. «Was soll dasheißen, keiner will mit? Ich biete einen halben Ballen rotes Baumwolltuch, direkt aus Birmingham, und den Preis eines erstklassigen Sklaven. Das ist doch mehr, als ihr in zwei Jahren verdienen könnt, wenn ihr rumsitzt und Kisten schleppt für Doktor – ich meine, für Mr.   Crump.»
    Alle Blicke ruhten auf dem Häuptling. Der hebelte gerade nur mit Hilfe seiner Zähne und eines Holzsplitters mühsam den Korken aus einer Flasche Château Latour, die Mungo aus seinem eigenen Privatvorrat gespendet hatte. Damman Jumma spuckte den Korken aus und nahm einen tiefen Schluck, ehe er die Flasche an seine Lieblingsfrau weitergab. «Hör mal», sagte er endlich auf Umgangs-Mandingo, «du kannst bieten, was du willst, bis du schwarz wirst, und keiner wird mitkommen. Die Leute hier sagen, daß du
kokoro kea
bist, ein gefährliches Risiko. Und damit hat sich’s.»
    Erschüttert kehrte der Entdeckungsreisende in sein Zelt zurück, um sich mit Zander zu besprechen. Sie beschlossen, jedem gesunden Mann, der die Expedition begleiten wollte, anderthalb Ballen Tuch, eine Kiste «Whitbread’s»-Bier und den Gegenwert von zwei erstklassigen Sklaven zu bieten. Am nächsten Morgen mieteten sie für die Außenwerbung einen
jilli kea
, der ihr Angebot in jedem Dorf innerhalb eines Acht-Meilen-Radius herumträllern sollte. Keine Reaktion. Zwei Tage wartete der Entdeckungsreisende noch. Am Morgen des dritten Tages rief er Zander, Martyn und Scott zu sich und sagte, die Männer müßten das Gepäck eben selbst schleppen. Esel wurden beladen, die Truppen inspiziert und verpflegt, dann brach die Expedition zum Niger auf.
    Der Auszug aus Pisania, bei dem die überladenen Esel bereits bockten und scheuten, wurde von den Dorfbewohnern mit großen Augen verfolgt; manche schüttelten den Kopf, andere umklammerten ihre
saphis
und kritzelten im Sand. Die Einheimischen zeigten eine verbissene undsprachlose Faszination, wie sie vielleicht die frühen Christen in der Löwengrube empfangen haben mochte oder wie man sie im Mittelalter den barfüßigen Kindern entgegengebracht hatte, die scharenweise durch Europa zogen, um die Ungläubigen aus dem Heiligen Land zu vertreiben. Beim Zusehen hatten sie Gebete auf den Lippen und eine düstere Vorahnung der menschlichen Sterblichkeit im Herzen. Feierlich wie Priester sahen sie zu, wie die wahnsinnigen, stinkenden weißen Männer

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