Waugh, Evelyn
Herzens anrief; er betrachtete es [169] als ein großes Privileg, ihre Handtasche aufheben zu dürfen, wenn Hector sie im Hyde Park fallen ließ; die kleinen Wunden, die Hector seinen Knöcheln und Handgelenken beizubringen vermochte, trug er wie ritterliche Ehrenmale. In ambitionierteren Momenten sprach er in Millicents Hörweite von Hector als »mein kleiner Rivale«. An seinen Absichten konnte nicht der mindeste Zweifel bestehen, und als er Millicent und ihre Mama zu sich aufs Land einlud, setzte er als Fußnote unter den Brief: »Natürlich ist Hector ebenfalls eingeladen.«
Der von Samstag bis Montag dauernde Besuch bei Sir Alexander war für den Pudel ein einziger Alptraum. Er schuftete wie noch nie; jeder Trick, mit dem er seine Anwesenheit verhasst machen konnte, wurde vergebens versucht – das heißt, soweit es seinen Gastgeber betraf. Der übrige Haushalt reagierte wie gewünscht, und einmal bekam Hector einen schmerzhaften Tritt verpasst, als er sich durch eigene schlechte Regie mit dem zweiten Diener, den er zuvor beim Tee mit einem Tablett voll Geschirr erfolgreich zu Fall gebracht hatte, allein in einem Raum fand.
Demütig wurde hier ein Benehmen akzeptiert, das Millicent in Schimpf und Schande aus einem Dutzend angesehener englischer Häuser verbannt [170] hatte. Es waren noch andere Hunde zugegen – ältere, ernste und wohlerzogene Tiere, auf die Hector sich stürzte; sie wandten ob seines herausfordernden Gekläffs nur traurig die Köpfe ab; wenn er nach ihren Ohren schnappte, begaben sie sich gemessenen Schrittes außer Reichweite, und Sir Alexander ließ sie für die restliche Dauer des Besuchs einsperren.
Im Esszimmer lag ein aufregender Aubusson-Teppich, dem Hector irreparablen Schaden zufügen konnte; doch Sir Alexander schien es nicht zur Kenntnis zu nehmen.
Hector fand im Park ein Aas, und obschon das seiner Natur eigentlich zuwider war, wälzte er sich gewissenhaft darin, um, ins Haus zurückgekehrt, sämtliche Sessel im Salon damit zu besudeln; Sir Alexander persönlich half Millicent, ihn zu baden, und brachte für das Unternehmen sogar das Badesalz aus seinem eigenen Bad.
Hector heulte die ganze Nacht; er versteckte sich und ließ das ganze Haus mit Laternen nach ihm suchen; er biss ein paar junge Fasane tot und wagte einen verwegenen Angriff auf einen Pfau. Nichts fruchtete. Zwar vermochte er einen tatsächlichen Heiratsantrag noch zu vereiteln – einmal in einer Gartenecke, einmal auf dem Weg zu den Ställen und einmal, während er gebadet [171] wurde –, doch als er Sir Alexander am Montagmorgen sagen hörte: »Hoffentlich hat Hector der Besuch ein bisschen gefallen. Ich möchte ihn noch sehr, sehr oft hier sehen«, da wusste Hector, dass er geschlagen war.
Es war nur noch eine Frage der Zeit. Abends in London konnte er Millicent unmöglich ständig im Auge behalten, und so würde er denn eines schönen Tages aufwachen und Millicent ihren Freundinnen am Telefon die frohe Botschaft ihrer Verlobung verkünden hören.
So kam es, dass er nach langem Loyalitätskonflikt einen verzweifelten Entschluss fasste. Er hatte seine junge Herrin liebgewonnen; so manches Mal, wenn sie ihr Gesicht an seines drückte, hatte er mit all den jungen Männern gefühlt, die zu schikanieren seine Pflicht war. Aber Hector war kein charakterloser Köter. Nach dem Ehrenkodex aller wohlgeborenen Hunde zählt in erster Linie das Geld. Der Hand, die ihn kaufte, nicht der, die ihn füttert und streichelt, ist er zuvörderst Treue schuldig. Die Hand, die einst in der Tierhandlung des großen Kaufhauses die Fünfer hingeblättert hatte, bestellte jetzt die unfruchtbare äquatorialafrikanische Erde, aber die geheiligten Worte seiner Amtseinsetzung hallten noch in [172] Hectors Ohren nach. Während der ganzen Sonntagnacht und der Reise am Montagmorgen rang Hector mit seinem Problem; dann fasste er einen Entschluss: Die Nase muss ab.
VII
Es ging ganz leicht; ein einziger kräftiger Biss, als sie sich über sein Körbchen beugte, und das Werk war vollbracht. Sie ging zu einem Schönheitschirurgen und kam ein paar Wochen später ohne eine Narbe oder einen Stich zurück. Doch es war eine andere Nase; der Chirurg war auf seine Art ein Künstler, und wie schon erwähnt, hatte Millicents Nase keine bildhauerischen Qualitäten. Nun besitzt sie einen schönen aristokratischen Erker – würdig der alten Jungfer, die zu werden sie im Begriff steht. Wie alle alten Jungfern wartet sie sehnsüchtig auf die Post aus dem
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