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Weiß wie der Tod

Weiß wie der Tod

Titel: Weiß wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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tastete sich an der Wand entlang zum Lichtschalter. Die Lampe gehorchte und antwortete mit einhundert Watt. Jetzt sah er noch weniger. Er schloss die Augen und schaltete die Lampe wieder aus.
    »Wo bist du?«, fragte er.
    Langsam rückten die Umrisse der Wohnung wieder in seine Wahrnehmung. Er ging weiter, rüber zur Küche. Hier war niemand.
    Dann das Badezimmer. Die kleine Leuchte über dem Waschbecken fiel ihm ein. Deren schummriges Licht konnte er riskieren und knipste sie an. Wie konnten vierzig Watt nur so hell sein? Ein kurzer Blick rundum musste genügen. Nichts.
    Zurück im Wohnzimmer, sah er auf dem Computerbildschirm ein unbekanntes Bild. Es zeigte einen blutüberströmten Körper im Sand. Zahlreiche Hiebe hatten sein Fleisch freigelegt, seine Ferse war mit einem Pfeil durchbohrt.
    Woher stammte die Aufnahme?
    Er hatte sie noch nie gesehen, geschweige denn, dass er sie auf den Rechner gespielt hatte. Ein Rechtsklick auf den Desktop führte ihn zum Speicherort des Bildes. Die Datei hieß Der tote Achill.
    Jemand musste in seiner Wohnung, am Computer gewesen sein, als er nicht da war.
    Außer ihm, Michaelis und dem Hauswart hatte niemand einen Schlüssel. Michaelis konnte es nicht gewesen sein, sie hatte mit ihm bis vor einer Stunde noch zusammengesessen. Der Hauswart. Was hätte er hier gewollt?
    Er baute eine Leitung nach draußen auf. Nach dem zweiten Klingeln ging der Hauswart ran.
    Nein, er war nicht in der Wohnung gewesen, antwortete er. Und seiner Kenntnis nach auch sonst niemand.
    Levy beendete das Gespräch und machte sich auf die Suche nach einem virtuellen Eindringling.
    Nach einem Virencheck und einer Überprüfung der Firewall auf Funktionstüchtigkeit musste er erkennen, dass der Rechner unberührt schien.
    Wie kam dann der tote Achill auf seinen Desktop?
    Doch weit mehr als diese Frage begann ihn das Motiv zu beschäftigen. Der tote Achill, niedergestreckt vom Pfeil des Paris bei der Schlacht um Troja. Er hatte in dieser und in allen vorhergehenden Kämpfen gewütet, als wäre er der Raserei verfallen. Einzig seine Ferse, an der ihn seine Mutter in den Styx gehalten hatte, wodurch er unverwundbar geworden war, war die Schwachstelle an diesem perfekten Krieger gewesen. Nein, es gab noch eine zweite: die Liebe zur Sklavin Briseis. Sie hatte ihn schwach und verletzbar gemacht.
    In einer anderen Version trug sie den Namen Polyxena, die jüngste Tochter des Königs Priamos von Troja.
    Die Griechen hatten die Mauern der Stadt nur durch die List des Odysseus überwinden können, mit dem Trojanischen Pferd.
    Wieder kehrten die Fernsehbilder, die er als Kind mit seinem Bruder Frank gesehen hatte, in sein Bewusstsein zurück. Er war damals der Achill im nachgestellten Spiel gewesen und Frank der verschlagene Odysseus.
    Für das Trojanische Pferd hatten sie ein ausgedientes Schaukelpferd umfunktioniert. Und die Rolle der Briseis oder Polyxena blieb unbesetzt, Mädchen hatten in diesem Spiel nichts verloren.
    Hatte sich daran bis heute etwas geändert? War er noch immer in der Rolle gefangen, die ihm sein Bruder zugedacht hatte?
    Wenn ja, dann würde er bald einen hinterlistigen Tod sterben. Und sein Odysseus hieß Frank.
    Wie tausendmal zuvor griff er nach der Flasche. Sie war leer. Beim Waffengang hatte er alles verschüttet.
    Die Unruhe in ihm gewann wieder Oberhand. Er musste etwas dagegen unternehmen. Zuerst Alexej. Es klingelte. Die Mailbox meldete sich, sagte, dass Alexej zurückrufe, wenn eine Nachricht hinterlassen würde. Levy verzichtete darauf. Dafür hatte er keine Zeit. Er klopfte die Taschen nach Geld ab. Einen Zehner hatte er noch. Das sollte reichen, und er machte sich auf den Weg.

41
    Falk Gudman studierte die Akte von Jette Friis, die ihm die dänischen Kollegen zur Verfügung gestellt hatten.
    Jette war eine hübsche junge Frau gewesen. Blonde, schulterlange Haare, offene Augen, helle Bluse unter einem gestreiften, dunklen Blazer. Etwas zu businessmäßig für Falks Geschmack. Sie war zweiundzwanzig Jahre alt geworden, hatte das Studium der Betriebswirtschaftslehre absolviert und war auf der Suche nach einer Anstellung.
    Der Termin im grenznahen Sonderborg war laut den Eltern vielversprechend gewesen. Sie hatte sich auf die Stelle einer Assistentin der Geschäftsleitung beworben. Bereits zwei Tage vor dem eigentlichen Termin hatte sie sich auf die Reise gemacht. Ihr Ziel war eine Freundin in Kiel gewesen, mit der sie studiert hatte. Sie wollten das Bewerbungsgespräch durchspielen,

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