Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast

war.
    Also nahm ich Hamloaf auf den Arm, hielt ihn eng an mich gedrückt und flüsterte ihm ins Ohr, er solle stillhalten. Dann konzentrierte ich mich auf das Rabbit Hole – sein großes Schaufenster mit dem blau getönten Glas und den weißen Papierlaternen, die von der Decke hingen. Ich dachte an die flackernden Kerzen und die Spruchbänder mit Zeilen aus den schönsten Kinderbüchern, die in eleganter schwarzer Tintenschrift die Kirschholzwände zierten.
    Hamloaf jaulte, also drückte ich ihn noch fester an meine Brust. Jetzt würde ich ihn nicht mehr verlieren. Ich gab ihm den einzigen Rat, den ich ihm geben konnte.
    »Halte dich fest, Ham. Halte dich gut fest.«
    Dann wirbelten wir durch einen Strudel von Meer, Sand und einer diffusen Wolke aus unzähligen Glühwürmchen, die so dicht war, dass es mir fast den Atem verschlug. Als wir vom Boden abhoben und uns in Richtung San Francisco beamten, begann Hamloaf fürchterlich zu jaulen.
    Die Zeit schien gerafft wie in einem alten Stummfilm, alles um mich herum verfloss. Und in diesem Augenblick hatte ich nur einen einzigen Gedanken.
    Ich wünschte, Patrick wäre hier.

SEELENHANDEL

30
    california dreamin’

    Die Stadt lag im Dunkeln und war menschenleer. Kein Lebenszeichen weit und breit. als wäre jemand mit einem riesigen Staubsauger durchgegangen und hätte alles Leben aufgesaugt.
    Wir waren nicht genau dort gelandet, wo ich es vorgehabt hatte – eher im Hafenviertel Fisherman’s Wharf als in The Haight. Nicht, dass es wirklich einen Unterschied gemacht hätte. Die Straßen waren leer. Die Häuser verbarrikadiert. Keine Seele weit und breit.
    Ich ging im Zickzack durch das Viertel, manchmal nach links, manchmal nach rechts. Knorrige Bäume warfen seltsame Schatten auf den Gehweg, und ich fragte mich fröstelnd, wie lange es wohl noch hin war bis zum Sonnenaufgang. Doch je weiter wir liefen, desto dunkler wurde der Himmel. Und desto heller leuchteten die Sterne über uns.
    Schließlich zog ich Sadies iPhone aus der Tasche, um nachzusehen, wie viel Uhr es war, doch der Bildschirm blieb schwarz. »Verfluchte Batterien.« Ich warf das Handy in den nächsten Mülleimer, in dem es mit einem lauten Klappern aufschlug. Das Geräusch ließ Hamloaf knurren, und für einen Augenblick fürchtete ich, wir wären in ein Szenario aus dem Film Erwachen der Toten geraten, in dem ein Mädchen und ihr Hund von Zombies verspeist wurden.
    » Trautes Heim, Glück allein «, flüsterte ich und kniff die Augen zusammen. »Am schönsten ist es zu Hause. Am schönsten ist es zu Hause. Am-schönsten-ist-es-zu-Hause. «
    Doch als ich die Augen wieder aufmachte, war ziemlich schnell klar, dass Dorothys alter Trick bei uns beiden nicht funktionieren würde.
    Ich konnte Patrick vor mir sehen, wie er die Augen verdrehte, als wollte er sagen: Netter Versuch, Käsehirn.
    Sogar Hamloaf schnaufte abfällig, als wäre ich irgendein Idiot.
    »Ach ja?«, motzte ich ihn an. »Hast du vielleicht eine bessere Idee?«
    Wir liefen weiter durch die Straßen und kamen von Wharf über Cow Hollow nach North Beach, wo meine Familie oft zum Italiener gegangen war. Und irgendwie hielt ich an der absurden Hoffnung fest, ihnen zu begegnen – plötzlich Dads Auto mit heruntergekurbelten Scheiben auftauchen und neben uns halten zu sehen, um uns beide nach Hause zu fahren.
    Träum weiter.
    Aber wem versuchte ich etwas vorzumachen? Hier waren nur ich und Ham. Und der Vollmond und ein Himmel voller Sterne.
    Da sie nicht allzu weit entfernt war, beschloss ich, zur Macondray Lane hinüberzugehen, eine versteckte, schmale Gasse, die zu meinen Lieblingsorten gehört hatte. Sie war vollkommen zugewachsen mit Bäumen und Blumen und Efeu, und von dort hatte man einen der besten Ausblicke auf Alcatraz und die Bucht, die die Stadt zu bieten hatte.
    Doch der eigentliche Grund, warum ich die Macondray Lane so liebte, war, dass Jakob mich bei unserem ersten Date dort hingeführt hatte. Am Tag nach dem Herbstball der PCH und unserem ersten Kuss.
    Als Ham und ich dort ankamen, erlaubte ich mir, an jenen Herbstnachmittag zurückzudenken. Ich erinnerte mich an den honigsüßen Duft, der damals in der Luft gelegen hatte, und an das Geräusch der Blätter, die sich gegenseitig etwas zuzuflüstern schienen, während sie auf das alte Ziegelsteinpflaster fielen. Ich erinnerte mich, wie herrlich warm es an jenem Tag gewesen war und was für eine großartige Überraschung er für mich vorbereitet hatte: Jakob Fischer – ausgerechnet