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Weites wildes Land

Titel: Weites wildes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Patricia
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verhielt es sich so, nun, nachdem ihr gemeinsames Abenteuer lange vorbei war. Und sie mußte zugeben, daß er sich wie ein wahrer Gentleman verhalten hatte, als er sich nach ihrem Befinden erkundigte. So etwas hätte sie Logan Conal gar nicht zugetraut. Wenigstens mußte er jetzt einräumen, daß sie recht gehabt hatte. Nach Ansicht von Percy und Margot Gilbert und all ihrer Freunde war sie kompromittiert. Wahrscheinlich mußte sie sich bei ihm entschuldigen, denn er hatte sich wirklich nichts vorzuwerfen. Da die Gilberts so gespannt auf ihre Antwort warteten, aß Sibell ihre Suppe betont langsam. Durch eine Heirat würde sie gesellschaftliches Ansehen bekommen. Außerdem wäre sie trotz Logans Einwänden gern die Herrin eines Hauses, in das die Gilberts dann nie eingeladen werden würden. Niemals! Sibell wußte, daß ihr langes Schweigen Margot in Wut versetzte, und deshalb setzte sie eine unbeteiligte Miene auf und antwortete nicht. Sie konnte diesen Leuten nicht sagen, wie ihr ums Herz war. Sie konnte ihnen nicht erzählen, wie sehr sie ihre Eltern vermißte und daß sie nachts immer wieder von Alpträumen heimgesucht wurde. Schreckliche Träume, in denen ihre Eltern um Hilfe riefen und in denen sie sah, wie die Angestellten ihres Vaters, die immer so nett zu ihr gewesen waren, in die unermeßlichen Tiefen gerissen wurden. Tagsüber verbannte Sibell diese Gedanken aus ihrem Sinn, und indem sie sich dagegen wappnete, verschloß sie, ohne es zu bemerken, auch die Trauer tief in ihrem Innern. Und so wirkte sie jetzt kühl und ungerührt. Josie Cambray, die Frau auf der Farm, die sie so freundlich aufgenommen hatte, hielt mit Sibell Verbindung. Sie hatte ihr immer wieder aufmunternde Briefe geschrieben, die Sibell zwar nicht besonders aufregend fand, die ihr aber zumindest das Gefühl gaben, mit der Außenwelt in Verbindung zu stehen. Sibell beschloß, Josie in ihrem nächsten Antwortbrief die Neuigkeit anzuvertrauen: sie würde heiraten.    
     
    * * *
     
    Nachdem sie sich erst einmal auf der Cambray-Farm eingerichtet hatte, zogen sich die Monate für Josie in endloser Eintönigkeit dahin, waren ebenso leer wie der lange Pfad, der in den Bergen in der Höhe einfach im Nichts endete. Kein Reisender kam vorbei, kein Fremder ritt aus der felsigen, überwucherten Wildnis auf ihr Haus zu, um eine Mahlzeit mit ihnen zu teilen… Hier, im Land der Eingeborenen, war jeder Gast willkommen. Josie wußte nicht einmal, wie es auf der anderen Seite der Bergkuppen aussah. Manche meinten, es sei gutes Weideland, andere wiederum sagten, dort gäbe es nichts als Wüste. Als sich die erste Freude darüber gelegt hatte, nun Besitzer einer Farm zu sein, die in England ein Dutzend Familien ernährt hätte, und der Alltag mit seinen immer gleichen Pflichten die Oberhand gewann, fing Josie allmählich an, sich nach Gesellschaft zu sehnen. Sie vermißte das Gespräch mit anderen Farmern und Landarbeitern, den Dorfklatsch, den Gruß eines Vorübergehenden mit gelüftetem Hut, den Klang von Stimmen. Abgesehen vom Rufen und Singen der Vögel herrschte in diesem Land Stille. Aber zumindest ließen die Eingeborenen sie ungeschoren, obwohl Jack dem Frieden nicht traute. Nach wie vor saß er jede Nacht draußen und trank. Wäre ein Eingeborener aus der Dunkelheit aufgetaucht, um ihn anzugreifen, hätte Jack es wahrscheinlich gar nicht bemerkt. Wahrscheinlich hatte der Anblick ihrer ermordeten ehemaligen Nachbarn Jack den Verstand geraubt, wie Josie meinte. Seltsam war nur, daß es ihr gelungen war, diese Tragödie zu verdrängen, und auch Ned schien sich deswegen nicht zu fürchten. Vermutlich kam er nicht auf den Gedanken, daß die Schwarzen mit diesem Mord zu tun hatten, denn Jimmy Moon war – wenn er sich nicht gerade wieder aus dem Staub gemacht hatte – sein heiß geliebter Spielgefährte. Am schlimmsten waren die Abende. Wenn Ned schlafen gegangen war und Jack draußen in seinem Unterschlupf hockte, wurde Josie von Einsamkeit überwältigt. Sie versuchte es erst mit Sticken und dann mit Stricken, doch trotzdem blieb das Gefühl, daß etwas tief in ihr mit aller Macht zum Ausbruch drängte. Mit zusätzlicher Arbeit war es nicht getan – sie brauchte etwas, um sich abzulenken. Sie begann wichtige Ereignisse des Weltgeschehens, die sie aus den wenigen Zeitungen ausschnitt, die ihren Weg auf die Farm fanden, in ein Notizbuch einzutragen. Ihr Held, General Gordon, kämpfte sich durch den Sudan und machte den Aufständischen, Derwischen und

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