Welch langen Weg die Toten gehen
Informationen preiszugeben, gegen dasjenige abwog, bei einer Lüge ertappt zu werden. Das Risiko war es Gallipot nicht wert, dachte sich Wield. Aber das Zögern war doch interessant.
»Ich hab vor einigen Jahren mal für seinen Vater gearbeitet, kurz nachdem ich mich selbstständig gemacht hatte. Ich glaube, Mac junior sagte, er sei in den Papieren seines Vaters auf meinen Namen gestoßen und hat ihn sich gemerkt – ist ja auch nicht ganz gewöhnlich. Na, war also doch zu was nütze, trotz der Kantinenwitze über Pisspott und Kotzpott.«
»Na, sieht so aus, Jake. Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben.«
»War mir ein Vergnügen. Wenn Sie mal in der Nähe sind, klingeln Sie mich an, dann können wir einen heben gehen und über die alten Zeiten plaudern. Halten Sie die Ohren steif, alter Junge.«
Wield legte den Hörer auf und starrte ihn eine ganze Minute lang an. Irgendwas war da, aber was? Er hatte Gallipot gezwungen, mit der Wahrheit rauszurücken, wie Pal junior auf ihn gekommen war, aber die eigentliche Frage wurde dadurch nur um zehn Jahre zurückverlegt. Warum hatte sich Pal senior für einen Privatdetektiv aus Harrogate entschieden und nicht für einen aus Mid-Yorkshire? War das eine Fahrt nach Harrogate wert, um unter vier Augen mit ihm zu reden? Die logische Waage in seinem Gehirn wog Aufwand und möglichen Ertrag gegeneinander ab. Wobei die Sache schnell entschieden war. Sein Platz war hier; hier konnte er das tun, was er am besten konnte, die Dinge zusammenhalten.
Novello legte den Hörer auf, erhob sich und kam zu ihm.
»So, das wäre erledigt«, sagte sie.
Mit einem Anflug von Bestürzung sah er sie an. Wenn sie bereits alles getan hatte, was ihr aufgetragen worden war, dann war es vielleicht an der Zeit, abzutreten und der neuen Generation Platz zu machen.
»Was haben Sie herausgefunden?«, fragte er.
»Noch nichts«, sagte sie. »Aber ich treffe mich in zwanzig Minuten mit dem Leiter der Bank von Maciver. Hab auch den Namen seines Anwalts, dachte mir also, dass ich mit ihm ebenfalls ein wenig plaudern werde. Lieber von Angesicht zu Angesicht, dann fällt es schwer, diesen Verschwiegenheitspflicht-Scheiß abzuziehen. Werden Sie hier sein, wenn es was zum Nachfragen gibt, Sarge?«
Erleichterung überkam ihn. Also keine Superwoman. Aber alle Anlagen einer guten Polizistin. Warum hatte er nicht an den Anwalt gedacht? Und das Gespräch von Angesicht zu Angesicht, auch da hatte sie Recht, genau wie Pete. Wenn man sichergehen wollte, dass einer einem die Wahrheit sagte, dann gab es keinen anderen Weg.
Hin und wieder musste man sich eben an das Offensichtliche erinnern!
Er sagte: »Nein, ich bin nicht da, Sie müssen mich auf dem Handy anrufen.«
Er griff nach dem Hörer, rief die Polizei in Harrogate an und verlangte einen DI Collaboy zu sprechen.
»Jim? Hier ist Ed Wield … Aye, schon ziemlich lange her. Alles in Ordnung bei Ihnen? … Wunderbar. Bei mir auch. Hören Sie zu, Jim, das ist ein Höflichkeitsanruf, wollte nur sagen, dass ich heute noch in Ihrem Revier aufkreuze, um einen alten Kumpel von Ihnen zu besuchen. Jake Gallipot … Nein, das wird kein Höflichkeitsbesuch! Geht nur darum, er hat mal für jemanden gearbeitet, der sich umgebracht hat, und ich würde gern wissen, was er wirklich für ihn getan hat … Nur so eine Ahnung, wahrscheinlich Zeitverschwendung … Wenn was rauskommt, sind Sie der Erste, der es erfährt … Versprochen! Bis dann.«
Er legte den Hörer auf. Collaboy war damals, als Gallipot der Polizei den Rücken gekehrt hatte, als DI dessen unmittelbarer Vorgesetzter gewesen. Dem Sergeant war nichts Bestimmtes zur Last gelegt worden. Dennoch wurde immer noch gemutmaßt, dass er im Zuge dieser Affäre und ihrer Nachwirkungen auf seinem gegenwärtigen Dienstgrad festklebte. Die Vorstellung, jemand schnüffle seinem ehemaligen Kollegen hinterher, dürfte seine freudige Zustimmung erregen, und sicherlich würde er, sein Ruf eilte Wield schließlich voraus, wenig auf die Behauptung geben, dass er nur wegen so einer Ahnung den weiten Weg nach Harrogate auf sich nahm.
Aber mehr hatte er nicht.
Na und?
Manchmal musste man die Logik in den Wind schreiben und in den Strom der Gefühle eintauchen.
4
Die Lilie und die Rose
D er Strom, dem sich Pascoe überließ, führte ihn auf dem Weg nach Cothersley über das Zentralkrankenhaus.
Ihm war der Gedanke gekommen, dass jemand, der unterwegs war, um auf den Gefühlen einer trauernden Witwe herumzutrampeln, sich
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