Wellenzauber
der Gästekajüte nachschauen, ob sie dort ist.«
Das Mädchen tat wie geheißen, kam aber nach wenigenMinuten kopfschüttelnd zurück. Daraufhin wurde die gesamt Yacht abgesucht, doch nirgends fand sich eine Spur von der deutschen Hebamme.
Als wäre sie doch nur ein Geist aus der Vergangenheit, dachte Federico beklommen.
»Mach dich nicht verrückt«, sagte Lorella, als sie sich auf dem Sonnendeck trafen. »Die ist wahrscheinlich zurückgeschwommen. Deutsche Frauen sind doch angeblich so sportlich.«
Etwas am Klang ihrer Stimme ließ ihn aufhorchen. Er fixierte Lorella mit seinem Blick, aber sie zuckte nicht einmal zusammen. »Weißt du etwas von … von dieser Hebamme?«
»Ich? Wie kommst du denn darauf?«
Da war kein Blinzeln in ihren Augen, kein Zögern in ihrer Antwort. »Ich kenne nur eine deutsche Hebamme, und das ist Martha.«
Martha, schoss es Federico durch den Kopf. Martha war in diese Geschichte verwickelt. Er dachte an den Abend, als sie ihn zu Hause besucht hatte, an den köstlichen Kasselerbraten, an das deutsche Pils. Und ihm fiel ein, wie ausführlich sie ihn nach Sina ausgefragt hatte. Dann diese Andeutungen, von wegen, man müsse die Dinge geschehen lassen. Seine Gedanken machten einen Sprung. Hatte Martha nicht auch davon geredet, dass sie sich zur Ruhe setzen wollte? Wollte sie etwa ihre Nachfolge regeln, indem sie sich als Kupplerin betätigte? Federico fröstelte plötzlich. Wenn seine Vermutung zutraf, dann spielte Martha ein verdammt gefährliches Spiel.
Im nächsten Moment kam der Skipper angelaufen. »L’hanno tirata fuori dal mare«, sagte er und wechselte ins Deutsche, als Robert hinzukam. »Man hat sie aus dem Meer gezogen.«
Er hatte einen Funkspruch zwischen einem Ausflugsboot und der Küstenwache mit angehört. Demnach war eine junge Deutsche von der Strömung um eine schmale Landzunge abgetrieben worden. Dabei war sie so dicht an scharfkantigen Felsen vorbeigetrieben, dass sie sich einen tiefen Schnitt im Unterschenkel zugezogen hatte. Durch den Blutverlust ließen ihre Kräfte schnell nach, und sie wäre höchstwahrscheinlich ertrunken, wenn nicht zufällig das Ausflugsboot auf seiner Tour entlang der Costa Smeralda vorbeigekommen wäre.
Federico lauschte dem Bericht, ohne eine äußere Regung zu zeigen. Aber sein Herz schlug nicht mehr. Eine unendliche Zeit lang. Als es seine Arbeit wieder aufnahm, war er nicht mehr derselbe Mann wie vorher. Welche Sorte Mann an seine Stelle getreten war, wusste er noch nicht genau, aber es war zumindest jemand, der ohne die Liebe seines Lebens nicht mehr sein wollte.
»Wir bringen Claudia und ihr Baby ins Krankenhaus«, sagte er, da er dies sowieso vorgehabt hatte. So bald er seine Patientin in guten Händen wusste, wollte er sich auf die Suche nach Sina machen.
»Du spinnst ja!«, rief Kerstin aus und sah voller Empörung auf Sina hinab. »Du kannst doch nicht einfach abhauen.«
»Und ob«, gab Sina ungerührt zurück. »Mein kleiner Schnitt ist genäht, ich fühle mich gut, und ich will zurück ins Hotel.«
Sie bemerkte, wie Kerstin schnelle Blicke mit Martha und Florian tauschte, die beide am Fußende ihres Bettes standen.
»Aber du wärst fast gestorben.«
»Quatsch.« Sina richtete sich auf und spähte nach demRollstuhl. Auf ihren Beinen würde sie das Krankenhaus wahrscheinlich nicht verlassen können. Egal. Hauptsache raus hier. Raus, bevor Federico mit Claudia Köppen und dem Baby auftauchte. Denn daran bestand für sie kein Zweifel. Eine Nachuntersuchung im Krankenhaus musste sein. Und da jetzt auf den Fluren vermutlich über nichts anderes als ihre spektakuläre Rettung geredet wurde, musste sie davon ausgehen, dass auch Federico davon erfuhr. Aber sie wollte ihn jetzt nicht sehen. Nicht in ihrem geschwächten Zustand. Vor allem nicht, wenn sein blonder Schatten wieder bei ihm war, und das war zu befürchten.
Vor ihren Freunden spielte Sina die Starke, aber sie fühlte sich in Wahrheit furchtbar elend.
»Es geht mir wirklich gut. Ihr müsst mir nur in den Rollstuhl helfen.«
»Martha!«, rief Kerstin. »Sag du doch auch mal was!«
Die ältere Hebamme legte den Kopf schief. »Das war ziemlich knapp. Bleib doch wenigstens über Nacht hier.«
»Auf keinen Fall.«
»Aber das Meer hätte dich fast umgebracht«, sagte jetzt wieder Kerstin, die furchtbar blass um die Nase war.
Sina zwang sich zu einem Lächeln. »Stimmt nicht. Das Meer hat mich gerettet.«
»Hä? Sag mal, hast du dir auch den Kopf irgendwo
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