Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)
Tim forschend an. Hatte sich Mickey in Shane verliebt?
»Erzählen Sie mir alles, was passiert ist.« Sie spürte, wie sie ruhiger wurde. »Was hat es mit Shanes Verletzung auf sich? Was meinte Mickey damit, dass er sie gerettet hat?«
»Soweit ich es mir zusammenreimen kann, fand eine Party am Strand statt. Cole Landrys Sohn Josh hatte die Idee. Er wollte das U-Boot-Projekt seines Vaters feiern, so in der Art. Mickey und Shane waren in der Nähe, auf Wachposten, um zu verhindern, dass die Eule gestört würde.«
»Die Eule.« Neve erinnerte sich, dass Mickey sie als Erstes erwähnt hatte.
Tim nickte. »Josh griff die Eule an und Mickey wollte ihr beistehen. Ich weiß nicht genau, in welcher Reihenfolge sich das Ganze abspielte – Mickey und Shane waren außer sich vor Sorge um die Eule und unfähig, eins nach dem anderen zu erzählen. Ich weiß nur, dass Mickey versuchte, Josh aufzuhalten und als Shane ihr zu Hilfe eilte, kam es zu Handgreiflichkeiten – und danach warf irgendjemand, ich glaube Josh, Mickey ins Wasser.«
»Ich werde mir diesen Josh Landry vorknöpfen. Ich bringe ihn um! Er hat sie ins Wasser geworfen – im Februar! Sie hätte ertrinken können.«
»Ich weiß.« Tim nickte. »Zum Glück war Shane zur Stelle.« Sein Blick wanderte zu den Behandlungskabinen. »Genau in dem Moment, als ich mir diesen Tunichtgut vom Hals schaffen will, den sie mir zum Arbeiten geschickt haben, spielt er den Helden.«
»Ein Surfer und Tunichtgut. So hat Mickeys Freundin Jenna ihn genannt. War sie auch in die Sache verwickelt?«
»Jenna und ihr Freund haben Mickey, Shane und die Eule zu mir gefahren. Soweit ich weiß, war Jenna außer sich über das Verhalten der anderen. Mickey meinte, sie hätte gewartet, aber ihr Freund wollte sie unbedingt nach Hause fahren.«
Neve nickte beruhigt, Jenna und Mickey waren seit dem fünften Lebensjahr befreundet. Sie hatten gemeinsam lesen gelernt. Richard hatte ihnen ein Baumhaus im Garten gebaut, den »Himmelsclub«. Dort hatten sie ihre Liebe zu Vögeln entdeckt; sie hatten sich im Baumhaus versteckt, wie in einem Nest, und die Vögel beim Landen auf den Ästen oder im Flug beobachtet.
»Was ist mit der Eule?« Endlich war Neve bereit, ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes als Mickeys derzeitige Befindlichkeit zu richten.
»Sie hat einen verletzten Flügel. Mindestens. Mir blieb keine Zeit, sie genauer zu untersuchen, aber ich glaube, der Schnabel hat ebenfalls etwas abbekommen. Keine Ahnung, was ihr sonst noch fehlt.«
»O nein.« Als sie in Tims Augen blickte, erinnerte sie sich daran, ihn im Dämmerlicht gesehen zu haben, als die Eule zur Jagd aufgebrochen war. Sie dachte an die Fotos, die sie gemacht hatte – an den schneeweißen Raubvogel, der durch den violetten Himmel flog, in den dunklen Kiefern verschwand. Und an den Ranger, hochgewachsen und hart, wie man an seiner Körperhaltung und seinem Blick erkennen konnte. »Kein Wunder, dass Mickey so außer sich ist.«
»Ich glaube, dass Shane verletzt ist, hat gleichermaßen dazu beigetragen.«
»Wo bleibt er heute Nacht? Ich meine, wenn sie seine Mutter nicht ausfindig machen können.«
»Er könnte bei mir übernachten.«
Das Zögern in seiner Stimme bewirkte, dass Neve den Blick hob. »Haben Sie unten in der Station genug Platz?«
»Nicht wirklich«, gab er zu. »Es gibt dort nur ein Bett, eher eine Pritsche. Aber es macht mir nichts aus, auf dem Fußboden zu schlafen.«
Neve schüttelte den Kopf, fasste einen Entschluss. Die Lösung war nicht ideal, aber ihr fiel keine andere ein. »Er kann bei uns übernachten. Auf der Couch. Nur heute Nacht; er kann nicht alleine zu Hause bleiben.«
»Nett von Ihnen.«
Sie zuckte die Achseln. »Er ist nicht gerade der Umgang, den ich mir für meine Tochter vorgestellt hatte … Aber er hat ihr das Leben gerettet, und das werde ich ihm nie vergessen. Er kann heute Nacht bleiben, bis wir seine Mutter gefunden haben.«
»Nachdem ich einige Tage mit ihm zusammengearbeitet habe, kann ich nicht sagen, was Sie erwartet.«
Ihre Augen trafen sich. Wollte er sie warnen – ihr zu verstehen geben, dass Shane ein hoffnungsloser Fall war, aus einer schlechten Familie kam und ein weiterer Kontakt nicht ratsam war? Neve schluckte. Ihr lag daran, dass Mickey lernte, sich selbst zu respektieren und eine kluge Wahl zu treffen – was ihre Worte und Taten betraf, aber auch im Hinblick auf ihre Freunde. Neve hatte viel zu oft Streuner aufgenommen – Hunde, Katzen und Vögel,
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