Wenn Frauen nicht mehr lieben
keine der ihrigen aus der Reihe tanzt. In der Soziologie ist hierbei die Rede von der »sozialen Dominanz« der Frauen. Nivellierungen und Unterschiede in einer Gruppe werden von Frauen nicht akzeptiert und deshalb gern verhindert. Feststellen läßt sich ein starker Zug zu einem Uniformitäts-denken. Alle individuellen Vorlieben, Besonderheiten und Unterschiede zwischen Frauen werden von den sogenannten »Frauenfür-sprecherinnen« nur allzu gern nivelliert und mit dem edlen Etikett der sogenannten »Frauensolidarität« versehen.
Alles Individuelle wird ausradiert. Die Überzeugung der Wirkung eines Unterdrückungsprinzips gegenüber der Frau, die ihre Kinder aufzieht und Jahre auf die Ausübung ihres Berufes verzichtet, ist derart fest verankert, daß eine Frau, die anderer Meinung ist, die etwa gar nicht unglücklich als Mutter und Hausfrau ist, keinerlei Chance bekommt, von Frauenrechtlerinnen ernst genommen zu werden. So wird Frau nicht angehört. Fertig sind die Meinungen, über den Mann wie über die Frau. Daß diese undifferenzierten neuen Frauen- und Männerbilder schon zur öffentlichen Meinung gehören, ist aber gerade das Fatale daran. Und was zur öffentlichen Meinung gehört, wird auch kaum noch in Frage gestellt oder revidiert.
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Es mutet ketzerisch an, wenn man als Frau den Frauen auf die Finger schaut und ihnen einige ihrer Untaten oder unehrbaren Gefühle auf dem Tablett serviert. Heute wird man deshalb nicht auf dem Scheiterhaufen landen. Dank engagierter Männer und neuer Gesetzgebung können wir uns heute in aller Öffentlichkeit zu unserer Meinung frei äußern. Früher allerdings, da gab es die Hexenverbrennung. Ein Werk von frauenhassenden Männern?
Denken Sie jetzt wieder daran, daß Frauen nur Opfer waren und daran unschuldig sind? Gerade dort haben auch Frauen ihr Unwesen getrieben, haben andere Frauen denunziert oder des Irreseins beschuldigt.
Man braucht aber nicht bis ins Mittelalter zurück-zugehen, um von der Feindseligkeit der Frau gegenüber Frauen eine Vorstellung zu bekommen.
Es genügt, in diesem Jahrhundert zu bleiben und einen Blick in die Akten des Dritten Reiches zu werfen, um von Frauen getroffene Denunziationen und die aktive Teilnahme an Quälereien zu entdecken. Claudia Heyne hat in ihrem Buch »Täterinnen« diese greulichen Dinge von Seiten von Frauen ausgegraben und aufgezeigt.
Auch in Kulturen, in denen etwa noch die Beschneidung von Mädchen praktiziert wird, stehen Frauen oft an vorderster Front. Wenn die Väter sich aus Erbarmen dagegen aussprechen, sind es die Mütter und Großmütter, die das noch kleine Mädchen zur Klitorisentfernung zwingen – immer mit der edlen Begründung, man müsse die Tochter vor der Ausstoßung aus der Gemeinschaft beschützen. Taten sich die Frauen zusammen, wäre ein solcher Ausschluß nicht mehr möglich. Frauen sind aber nicht solidarisch, auch wenn die Frauenbewegung das gerne so sieht. So ertragen auch Frauen in den »Beschnei-dungskulturen« den Unterschied nicht. Sie selbst wurden beschnitten, also müssen die heranwachsenden Mädchen 102
auch daran glauben. Es kommt nicht in Frage, daß eine andere Frau es besser hat. Auch hier wirken Neid und Eifersucht als unbewußte Motoren für viele Grausamkei-ten, die an der Oberfläche mit pseudoliebevollen Argumenten gerechtfertigt werden, wie etwa dem wohl-gemeinten Schutz der jungen Frau.
In unserer westlichen Kultur sieht es freilich nicht viel besser aus. Zu den am strengsten gehüteten Tabus in der Weiblichkeitsdiskussion gehört das Thema der Macht und der Aggression unter Frauen bzw. des Neids auf die Macht der anderen Frau, seien es sexuelle Macht, Wirkungsmacht, Berufserfolge, Durchsetzungsmacht, Beziehungsmacht, Gefühlsmacht etc. Tanzt eine der Frauen aus der Reihe, kommt sogleich eine andere und setzt sie zurecht.
Ein Beispiel:
Nach einer Operation verbringt Anna, eine junge Frau, zwei Monate in einer Rehabilitationsklinik im Schwarz-wald. Männer und Frauen treffen sich regelmäßig zum Mittag- und Nachtessen im Speisesaal. Neue Patienten bekommen einen Platz an einem Vierertisch zugewiesen, den sie in der Regel für die Zeit des Aufenthaltes behalten.
So ergeben sich lustige und ernste Gespräche, und der Klinikalltag läßt sich mit einer solchen kleinen Tischfami-liengemeinschaft besser ertragen. Anna wird an einen Tisch mit drei anderen Frauen plaziert. Auch sie freundet sich mit ihnen an. Eines schönen Tages wird ein Platz am Tisch nebenan frei. Anna
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