Wenn Zaertlichkeit dein Herz beruehrt
hinab ins Tal zu seinem Heim.
Chris lief unruhig auf und ab, ging zum Fenster, dann wieder zu seinem Schreibtisch, wo er sich auf den Stuhl fallen ließ und noch einmal sein Rechnungsbuch durchging. Aber die Zahlen verschwammen vor seinen Augen. Ungeduldig schlug er das Buch zu und hoffte, dass die Sonne bald aufgehen möge, damit er bei dem ersten Licht seine Suche wieder aufnehmen konnte. Ein heißes Bad und gutes Essen hatten ihm neue Energie verliehen, doch die Dunkelheit stoppte seinen Tatendrang. Er hatte es bereits einmal mit Fackeln versucht, aber das Gelände war zu rau, und selbst Caesar hatte gestreikt. Wieder zog sich Chris' Magen vor Furcht zusammen. Er stand auf und ging zur Bar hinüber, schüttete sich aus einer Kristallkaraffe zwei Fingerbreit Cognac ein und trank das Glas in einem Zug leer. Der Alkohol verbreitete wohlige Wärme in seinem Magen und beruhigte ihn , aber nicht genug, und so goss er sich ein zweites Glas ein.
»Das wird nicht helfen, Mylord.« Chris wandte sich um. Bändel hatte leise den Baum betreten. Der Butler war ein Mann mit einem ausgeprägten Ordnungssinn, und das Chaos in diesem Zimmer störte ihn. Also begann er, die Beste von Chris' Abendessen auf ein Tablett zu stellen und die herumliegenden Zeitschriften wegzuräumen. Was Chris ärgerte.
»Lassen Sie das sein«, befahl er und setzte das Cognacglas an die Lippen.
Bändel hielt inne, beschloss dann aber, ihn zu ignorieren. Er fuhr fort, Chris' Schreibtisch aufzuräumen.
»Verdammt noch mal, Randel!« Wütend schmiss Chris das Kristallglas in den Kamin, wo es in zahllose funkelnde Splitter zerbrach.
Randeis Blick wanderte von seinem Herrn zu den Scherben, den Cognacspritzern auf dem polierten Holz, dann wieder zu Chris. Seine Lordschaft stand auf der anderen Seite des Baums, die Hände zu Fäusten geballt, den Körper angespannt. Seine dunklen Haare waren zerzaust, als ob er zu oft mit den Fingern hindurchgefahren wäre, die Augen waren zu schmalen Schlitzen zusammengezogen. Wut und noch etwas anderes, was Bändel noch nie an seinem Herrn gesehen hatte, funkelte darin, und der Butler hielt es für klüger, den Baum zu verlassen, statt auf die drohende Explosion zu warten.
Doch gerade, als er sich zur Tür wandte, stürmte Abigale herein. Mit einem Blick erfasste sie die Situation. »Christopher!«, sagte sie in ihrem vorwurfsvollsten Ton und sah ihn entrüstet an - in der Hoffnung, ihn wieder zu beruhigen.
Wortlos stürmte Chris an den b eid en vorbei aus dem Raum, stapfte mit schweren Schritten die Treppe hinauf. Abigale und Randel warteten regungslos, bis er oben angekommen war. Der Knall der zufallenden Tür hallte durch das ganze Haus, und die b eid en sahen sich an. Abigale stieß einen tiefen Seufzer aus. Sie betete für Christopher und die Frau, um derentwillen er so litt und die sein Herz gebrochen hatte.
Chris rollte sich von einer Seite auf die andere, schob sein Kissen zurecht, legte es sich unter die Wange, dann gab er schließlich auf und drehte sich auf den Rücken. Die Hände hinter dem Kopf verschränkt, starrte er zur Decke hinauf. Er hasste es zu warten. Sein Vater hatte immer behauptet, das läge an seinem weißen Blut, seine Ungeduld, sein hitziges Temperament, und er hatte sich sein ganzes Leben lang bemüht, b eid es zu beherrschen. Was mir heute Abend jämmerlich misslungen ist, dachte er. Doch je länger er warten musste, bevor er sich erneut auf die Suche nach ihr begeben konnte, desto lebhafter wurden die Bilder von Victoria. Er schien ihren Duft zu schnuppern, er erinnerte sich an den Ausdruck, der in ihren Augen lag, wenn sie es endlich aufgab, gegen ihr Verlangen nach ihm anzukämpfen. Wie wild und ungezähmt sie sein kann, dachte er. Ihm gefiel es, wie stark und furchtlos sie war, eine richtige Kriegerin, aber auch verletzlich und nachgiebig, wenn er sie küsste. Er mochte es, wie sie sich an ihn schmiegte, und er sehnte sich danach, sie wieder in seinen Armen zu halten.
»Bist du wach, Marshal ?«
Chris setzte sich aufrecht hin, als er die leise Stimme hörte, hoffte, betete, dass sie es sein möge. Dennoch griff er nach seinem Revolver und versuchte, die Dunkelheit mit seinen Blicken zu durchdringen. Dann hörte er die Stimme wieder, und die Enttäuschung war so groß, dass es schmerzte. Er warf die Decke zurück und schwang die Beine über den Bettrand.
»Lucky?« Schnell riss er ein Streichholz an und zündete die Lampe an. Jetzt erkannte er das Gesicht des Jungen am
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