Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden
Stonehenge und für Ägyptens Pyramiden; die hebräische Bibel und auch die indischen Epen erzählten von ihren Raumfahrzeugen und Atomwaffen. Dass Könige so vieler früher Kulturen geltend gemacht haben, mit übermenschlichen Wesen in den Himmeln sprechen zu können, nimmt von Däniken wörtlich: Sie hätten, so behauptet er, tatsächlich mit Besuchern aus dem All gesprochen.
Die Beweislage mag (um es vorsichtig auszudrücken) dünn sein, ökonomisch betrachtet ist eine solche Behauptung bestimmt sinnvoll: Eine Menge Leute glauben daran, mehr als 60 Millionen Bücher hat von Däniken verkauft und bis heute |184| einen Haufen Fans. Noch vor wenigen Jahren, bei einer harmlosen Grillparty, wurde mir allen Ernstes vorgeworfen, ich gehörte zu jenem Geheimbund von Archäologen, der an der Unterdrückung solcher Wahrheiten arbeite.
Wissenschaftlern wird oft vorgehalten, sie raubten der Welt ihre Wunder. Das mag so sein, doch im Allgemeinen tun sie das, um die Wahrheit an deren Stelle zu setzen. Und was diesen Fall angeht, so brauchen wir, um Mesopotamiens gottähnliche Könige zu erklären, ebensowenig von Dänikens Raumwesen, wie wir das galaktische Epos
2001
brauchen, um
Homo sapiens
und seine Evolution zu verstehen. Mit Beginn des Ackerbaus gewannen Spezialisten für Religiöses an Bedeutung, und alles spricht dafür, dass die Mesopotamier, als sie sich von den Mächtigen verlassen fühlten, weil diese den Regen abstellten, sich instinktiv an diejenigen wandten, die behaupteten, sie, als Priester, hätten einen privilegierten Zugang zu den Göttern. Wer, wenn nicht sie, hätte den Leuten also sagen sollen, was zu tun war? Es waren harte Zeiten, und Organisation war der Schlüssel zum Überleben. Je genauer die Menschen befolgten, was die Priester ihnen sagten, desto besser würden die Dinge sich entwickeln. (Vorausgesetzt, die Priester gaben vernünftige Anweisungen.)
Zwei Prozesse müssen einander gestützt haben, mit einer Logik, die nicht weniger zirkulär war als Gedankengänge, die einen von Däniken umtreiben, allerdings auch überzeugender. Ehrgeizige Männer, die sich ihres besonderen Zugangs zu den Göttern rühmten, sagten zugleich, sie bräuchten, damit sie bei den Göttern wirklich Gehör fänden, wundervolle Tempel, kunstvoll ausgestaltete Zeremonien und großen Reichtum. Und wenn sie schließlich darüber verfügten, konnten sie sich umwenden und auf ihre prächtigen Tempel, Zeremonien und Reichtümer verweisen: War das nicht alles Beweis genug, dass sie den Göttern nahestanden? Wer solche Dinge aufbieten kann, den müssen die Götter einfach lieben. Mit der Zeit begannen Schreiber, alles das aufzuschreiben, und um 2700 v. u. Z. erklärten mesopotamische Könige die Götter zu ihren Ahnen. Manchmal muss es geholfen haben, wenn man Männern Macht verlieh, die über den direkten Draht zu den Göttern verfügten, zumindest (vermute ich) in Uruk wird es so gewesen ein; und wo es schiefgegangen war, da blieb auch wenig, was Archäologen ausgraben könnten.
Uruk wurde nicht nur zu einer Stadt, es wurde zu einem Staat mit zentralisierten Institutionen, die Steuern festsetzten und für das gesamte Gemeinwesen verbindliche Entscheidungen fällten und die diese im Zweifelsfall auch mit Gewalt durchsetzen konnten. Wenige Männer (anscheinend keine Frauen) standen an der Spitze und konnten sich auf eine größere Gruppe von Kriegern, Landbesitzern, Händlern und schriftkundigen Beamten stützen. Von nahezu allen verlangte der Aufstieg des Staates den Verzicht auf Freiheiten, das war der Preis für den Erfolg in harten Zeiten. Gesellschaften, deren Mitglieder diesen Preis zahlten, konnten mehr Menschen, größeren Reichtum, größere Macht aufbringen als vorstaatliche Gemeinschaften.
|185| Ab 3500 v. u. Z. trieben Städte und Staaten die gesellschaftliche Entwicklung in Mesopotamien voran, gewannen Einfluss über das Zweistromland hinaus – nicht anders als einst die Siedlungen und Lebensformen des Fruchtbaren Halbmonds. Eine von Uruk inspirierte materielle Kultur (mit Kegelstumpfschüsseln, Tontafeln, prächtigen Tempeln) verbreitete sich bis in das heutige Syrien und den Iran hinein. Die Debatten darüber, wie das vor sich ging, gleichen denen über die Verbreitung des Ackerbaus. Wahrscheinlich fand, ausgehend vom dicht besiedelten, hoch organisierten Süden Mesopotamiens, eine Kolonisierung des dünner besiedelten, weniger zentralisierten Nordens statt: Habuba Kabira im Norden Syriens wirkt, als hätte
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