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Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Titel: Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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verhandelt werden. Achijawa etwa, ein Staatsgebilde wohl auf dem griechischen Festland, befand sich auf dem Sprung, zu einer großen Macht zu werden. Im Archiv von Amarna fanden sich keine Briefe aus diesem Reich; doch ein Hethiterkönig zählte in einem Vertrag des |199| 13. Jahrhunderts v. u. Z. die Könige auf, die »mir gleich im Rang« sind, und nennt »den König von Ägypten, den König von Babylon, den König von Assyrien und den König von Achijawa«, muss sich dann aber besonnen und letzteren wieder von seiner Liste gestrichen haben. 5
    Je mehr die »Brüder« miteinander zu tun bekamen, desto heftiger wurden ihre Geschwisterrivalitäten. Der Einfall der Hyksos in ihr Reich im 18. Jahrhundert v. u. Z. hatte die ägyptischen Eliten traumatisiert, die sich bislang durch die unpassierbaren Wüsten vor solchen Überfällen geschützt wähnten. Entschlossen, jeder Wiederholung vorzubeugen, machten sie aus ihren ziemlich heruntergekommenen Milizen ein stehendes Heer mit Berufsoffizieren und einer Streitwagen-Abteilung. Um 1500 v. u. Z. drangen sie, der Mittelmeerküste folgend, bis ins heutige Syrien vor und errichteten entlang dieser Route befestigte Plätze.
    Um 1400 v. u. Z. setzte ein antikes Wettrüsten ein; wer nicht mitkam, den mochte der Teufel holen. Zwischen 1350 und 1320 v. u. Z. schluckten Hethiter und Assyrer das Reich Mittani. Assyrien griff in einen babylonischen Bürgerkrieg ein, und um 1300 hatten die Hethiter ihren Nachbarstaat Arzawa zerstört. Zwischen hethitischen und ägyptischen Königen entspann sich ein regelrechter, unter Einsatz von Spionen und mit Undercover-Aktionen geführter kalter Krieg um die Kontrolle über die syrischen Stadtstaaten. Heiß wurde der Konflikt 1274 v. u. Z., als Heere so groß, wie sie die Welt bis dahin noch nicht gesehen hatte – schätzungsweise 30   000 Fußsoldaten und 5000 Streitwagen auf jeder Seite –, bei Kadesch aufeinanderstießen. Ramses II., der ägyptische Pharao, geriet offenbar in eine Falle, was er – als Gott, für den er galt – natürlich nicht wahrhaben konnte. In nicht weniger als sieben Tempeln ließ Ramses später von einem erfolgreichen Feldzug mit geradezu rambohafter Durchschlagskraft berichten:
     
    Als seine Majestät die ganze Schar des elenden Fürsten von Hatti [die Hethiter] niedermachte und seine Großfürsten und alle seine Brüder und ebenso alle Fürsten aller Länder, die mit ihm gekommen waren, ihre Infanterie und ihre Streitwagentruppe, die auf ihre Gesichter fielen, einer auf den anderen, als seine Majestät sie tötete, wo sie sich gerade befanden, und sie vor seinen Pferden ein fliehender Haufen waren, während seine Majestät ganz allein war, niemand bei ihm. 6
     
    Das »schändliche Oberhaupt von Hatti«, heißt es bei Ramses, bat um Frieden. Ein solcher Friedensfleher könnte aber auch er selbst gewesen sein.
    Militärgeschichte aus gottköniglichem Schwulst zu extrahieren, ist heikel; alle anderen verfügbaren Quellen nämlich sprechen dafür, dass Ramses an diesem Tag mit knapper Not einem Hinterhalt der Hethiter entkommen ist. Diese dehnten jedenfalls ihren Einflussbereich entlang der Küste aus. Gestoppt wurden sie erst 1258 v. u. Z., als sie neue Kämpfe vom Zaun brachen, einen in den Bergen Südostanatoliens, einen anderen mit griechischen Abenteurern an der westanatolischen Küste. Einige Historiker halten Homers
Ilias
, das 500 Jahre später niedergeschriebene Epos, für die dunklen Erinnerungen an einen Krieg in den 1220er Jahren |200| v. u. Z., in dem ein Bündnis griechischer Fürsten die hethitische Vasallenstadt Troja belagert hat. Weit ab im Südosten war eine noch schrecklichere Belagerung im Gange, die 1225 v. u. Z. mit der Plünderung Babylons durch die Assyrer endete.
    Die Kämpfe damals waren grimmig. Eine Niederlage konnte völlige Vernichtung bedeuten – erschlagene Männer, in Sklaverei verschleppte Frauen und Kinder, in Schutt und Asche gelegte Städte, die dem Vergessen anheimfallen sollten. Darum opferte, wer in den Krieg zog, alles für den Sieg. Die Kriegereliten wuchsen, wurden sehr viel reicher als ihre Vorgänger, und ihre internen Fehden gewannen an Schärfe. Könige ließen ihre Paläste, auch ganze Städte neu errichten, in denen das niedere Volk ihre Ruhe nicht störte. Steuern und mit Zwang durchgesetzte Arbeitspflichten stiegen rasant, auch die Schulden wuchsen, denn die Adligen nahmen Kredite auf, um ihren üppigen Lebensstil zu finanzieren. Bauern mussten, um zu überleben,

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