Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden
vorbei.
Das alles kostete Geld, und die Fortschritte in der organisierten Kriegführung setzten noch größere Fortschritte im Finanzwesen voraus. Eigentlich konnte es sich kein Land leisten, ein Heer von Land- und Marinesoldaten das ganze Jahr über zu ernähren, zu bezahlen und auszurüsten. Auch für dieses Problem fanden die Niederländer eine Lösung: Kredite. Man braucht Geld, um Geld zu bekommen, und da die Niederlande über so stabile Einkünfte aus dem Handel und so solide Banken zur Regelung des Geldflusses verfügten, konnten die regierenden Krämer in kürzerer Zeit höhere Kredite zu niedrigen Zinsen und bei längerfristiger Abzahlung aufnehmen als ihre verschwenderischeren Konkurrenten.
Wieder war es England, das dem Beispiel der Niederlande folgte. Um 1700 hatten beide Länder eine Staatsbank, die die öffentlichen Schulden regulierte, indem sie langfristige Anleihen verkaufte, während die Regierung die Bedenken der Käufer ausräumte, indem sie aus Steuereinnahmen Zinsen auf die Anleihen zahlte. Die Folgen waren überwältigend. Daniel Defoe (der Verfasser von
Robinson Crusoe
, diesem epischen Roman über die neuen ozeanischen Verkehrswege) schrieb über das englische Kreditwesen:
Kredit macht Kriege, und er macht Frieden; er stellt Armeen auf, rüstet Kriegsflotten aus, schlägt Schlachten, belagert Städte; kurz gesagt wird er mit größerem Recht als die Triebfeder des Krieges bezeichnet als das Geld selbst. … Kredit lässt Soldaten ohne Bezahlung kämpfen und Truppen ohne Proviant marschieren … und spült bei Bedarf beliebig viele Millionen in die Kassen des Fiskus und der Banken. 50
Unbegrenzte Kredite hatten endlose Kriege zur Folge. Großbritannien musste 20 Jahre lang Krieg führen, um den Niederländern das größte Stück ihres Handelskuchens abzujagen, aber dieser Sieg ebnete nur den Weg für noch heftigere Kämpfe. Frankreich schien entschlossen, die Landmacht zu werden, von der die Habsburger vergeblich geträumt hatten, und britische Politiker äußerten sich besorgt, dass die Franzosen auf See angreifen könnten, wenn sie zu Lande nichts mehr zu fürchten hätten. Der britische Premierminister William Pitt (der Ältere) schlug als Lösung des Problems vor, »Amerika mit Hilfe von Deutschland zu erobern« 51 und kontinentale Allianzen zu finanzieren, damit die französischen Truppen in Europa beschäftigt seien, während die Briten ihr Kolonialreich nach allen Seiten vergrößern könnten.
|469| Die britisch-französischen Kriege zogen sich von 1689, als der erste Versuch Frankreichs, in England einzufallen, scheiterte, bis 1815, als Napoleon in der Schlacht von Waterloo eine endgültige Niederlage erlitt. Bei diesen gewaltigen Schlachten ging es um nichts anderes als um die Vorherrschaft im Kerngebiet Europas. Auch in den Wäldern Kanadas und Ohios, auf den Plantagen der Karibik und in den Dschungeln Westafrikas und Bengalens trugen Europäer und (mehr noch) ihre einheimischen Verbündeten Dutzende kleiner, aber heftiger Scharmützel aus, die zusammen genommen den Krieg des Westens zur ersten weltumspannenden kriegerischen Auseinandersetzung machten. Es gab kühne Taten und niederträchtigen Verrat genug, um so manches Buch damit zu füllen, aber die eigentliche Geschichte wurde in Pfund, Schilling und Pence geschrieben. Die Briten rüsteten ihre Kriegsflotte und Truppen mit Krediten immer neu auf, während die Franzosen ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen konnten. »Unsere Glocken sind ganz dünnwandig geworden vom vielen Siegesgeläut« 52 , frohlockte der britische Schriftsteller Horace Walpole 1759, und 1763 war Frankreich finanziell so ausgelaugt, dass dem Land keine andere Wahl blieb, als seine Überseekolonien fast vollständig abzutreten (Abbildung 9.8).
Doch der Krieg des Westens war noch nicht einmal zur Hälfte ausgefochten. Selbst in Großbritannien machten sich die finanziellen Belastungen bemerkbar, und als die wenig durchdachten Pläne, den amerikanischen Kolonisten einen Teil der Last aufzubürden, 1776 zu einer Revolte führten, waren die Franzosen mit Geld und Schiffen zur Stelle, um den Rebellen den Rücken zu stärken. Nicht einmal mit ihren Krediten waren die Briten in der Lage, zugleich wild entschlossene Rebellen auf der anderen Seite des Atlantiks
und
eine andere Großmacht auf dem eigenen Kontinent in Schach zu halten.
Geld konnte jedoch der Niederlage ihren Stachel nehmen. Eigentlich hätte der Verlust Amerikas an Revolutionäre, die ihren
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