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Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Titel: Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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westlichen Händler (insbesondere die Briten) puschten die Droge aggressiv. Bis 1832 strömte genug davon nach Guangzhou – beinahe zwölf Tonnen –, um zwei bis drei Millionen Süchtige das ganze Jahr über high sein zu lassen (Abbildung 10.5). Durch den Kauf von Narkotika wurde China vom Silberimporteur zum Nettoexporteur von jährlich annähernd 400 Tonnen des Edelmetalls. Das war ein Haufen Drogen und eine Menge Geld.
    Die britischen Händler beharrten darauf, dass Opium »für die oberen Schichten der chinesischen Gesellschaft schlicht das war, was Brandy und Champagner für die gleichen Schichten in England« bedeuteten, 29 doch das war nicht wahr, und sie wussten es. Opium hinterließ eine Spur zerbrochener Leben, so trostlos wie jede Drogenkarriere in den heutigen Innenstädten. Es schadete auch den Bauern, die nie eine Opiumpfeife gesehen hatten, weil der Abfluss von Silber an die Drogenbarone den Wert des Metalls nach oben trieb und die Bauern zwang, größere Anteile ihrer Ernte zu verkaufen, um das nötige Silber zur Begleichung ihrer Steuern zu erwerben. Bis 1832 waren die Steuern praktisch doppelt so hoch wie 50 Jahre zuvor.

    [Bild vergrößern]
    Abbildung 10.5: Ein Haufen Drogen
    Die steil ansteigenden Opiumverkäufe der Britischen Ostindienkompanie in Guangzhou, 1730–1832.
    Einige von Kaiser Daoguangs Ratgebern empfahlen eine zynische Marktlösung: Legalisierung des Opiums, um mit einheimischem Mohn die britischen Importe auszubieten, die Silberausfuhr zu drosseln und die Steuereinnahmen zu steigern. Doch Daoguang war ein guter Konfuzianer und wollte seine Untertanen vor sich selbst retten, statt ihren niederen Trieben freien Lauf zu lassen. 1839 erklärte er den Drogen den Krieg.
    Ich habe in der Einleitung ein paar Worte über diesen Ersten Opiumkrieg verloren. Zuerst ging alles gut. Daoguangs oberster Drogenwächter Lin Zexu konfiszierte tonnenweise Opium, verbrannte es und versenkte die Reste im Meer (nachdem er ein gehöriges klassisches Gedicht an den Meeresgott verfasst hatte, um für die Verunreinigung seines Reiches Abbitte zu leisten). Doch dann lief es nicht mehr so gut. Der britische Handelskommissar kam zu dem Schluss, dass, wenn die Magie der Märkte versagte, der Zauber der Feuerwaffen vielleicht mehr ausrichten würde, und zog seine widerwillige Heimat in eine kriegerische Auseinandersetzung mit China hinein.
    Was folgte, war eine schockierende Demonstration der Macht der Kriegführung im Industriezeitalter. Die britische Geheimwaffe war die
Nemesis
, ein brandneuer, ganz aus Eisen erbauter Dampfer. Selbst die Royal Navy befiel angesichts dieser |499| so radikalen Waffe ein gewisses Unbehagen: »Wie die
Schwimm
eigenschaften von Holz dieses, ungeachtet der Form oder Gestaltung, zum natürlichsten Material für den Schiffsbau machten, so erweckten die
Sink
eigenschaften von Eisen auf den ersten Blick den Anschein, dass es höchst ungeeignet für einen ähnlichen Zweck wäre«, räumte ihr Kapitän ein. 30
    Diese Sorgen waren wohlbegründet. Der Eisenrumpf führte zur Fehlfunktion des Kompasses. Die
Nemesis
kollidierte mit einem Felsen, noch bevor sie England verließ, und hätte vor dem Kap der Guten Hoffnung beinahe zwei weitere gerammt. Inmitten eines tosenden Sturms konnte das Schiff nur vor dem Kentern gerettet werden, indem der Kapitän seiner Mannschaft befahl, über Bord hängend die Schiffswände mit überschüssigen Planken und Eisenplatten zu verstärken. Bei der Ankunft in Guangzhou jedoch war alles vergessen und vergeben. Die
Nemesis
machte ihrem Namen alle Ehre, schnaufte enge, von großen Holzschiffen nicht zu befahrende Flusspassagen hinauf und schoss jeden Widerstand in Stücke.
    1842 schlossen britische Schiffe den Kaiserkanal und brachten Beijing an den Rand einer Hungersnot. Generalgouverneur Qiying, mit Friedensverhandlungen beauftragt, versicherte seinem Kaiser, dass er »unserem großen Plan zuliebe über solche Kleinigkeiten hinwegsehen« wolle, 31 doch tatsächlich öffnete er, wie verlangt, für die Briten – dann für die Amerikaner, später für die Franzosen, schließlich auch für andere Westler – die chinesischen Häfen. Und als die Feindseligkeit der Chinesen gegenüber diesen ausländischen Teufeln (Abbildung 10.6) den erwarteten Profit aus diesen Konzessionen schmälerte, stellten die westlichen Mächte Nachforderungen.
    Die Westler trieben sich auch gegenseitig an, in steter Furcht, ein Handelsrivale könnte eine Konzession erhalten, mit der die

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