Werke
gestern zu besinnen. Was ists nun weiter?
Hat die Flasche Rüdesheimer, die ich gestern zu meinen Nachteinbildungen getrunken, die Seele so voll Sehnsucht angeschwellt – und ist sie heute leer, so wie die Flasche, die dort so wesenlos auf dem Tische steht, daß das Morgenlicht hindurch scheint?
Was ists nun weiter?
Ein prachtvoller Blitz, eine schöne Rakete, eine ausbrennende Abendröte, ein verhallendes Jauchzen, eine gehörte Harmonie, ein ausschwingendes Pendel, – – und wer weiß, was es noch alles ist.
Mein Herz ist kraftvoll und jede Fiber daran gesund, und Du darfst schon heute auf Scherze rechnen, lieber Titus; denn wenn auch die zauberische Armida noch im Spiegel meines Innern schwebt, so ist derselbe doch ein fester, blanker Stahlspiegel, nicht das weiche Ding von gestern. Vor der Hand bleibt sie als Studie, als neue Kunstblüte da, als schönes Bild im Odeon, wo die andern stehen. Heute muß noch versucht werden, ob ich den Eindruck nicht in Farben herstellen kann, um mir seine reine Schönheit in alle Zukunft hinüber zu retten.
Da fällt mir nun ein närrischer Gedanke ein. Außerordentlich schwärmerische Menschen, Genies und Narren sollten gar nicht heiraten, aber die erste Liebe äußerst heiß, just bis zum ersten Kusse treiben – und dann auf und davon gehen. Warte mit dem Zorne, die Gründe kommen. Der Narr nämlich und das Genie, und der besagte schwärmerische Mensch tragen so ein Himmelsbild der Geliebten für alle künftigen Zeiten davon, und es wird immer himmlischer, je länger es der Phantasie vermählt ist; denn bei dieser ist es unglaublich gut aufgehoben; die Unglückliche aber, der er so entflieht, ist eben auch nicht unglücklich, denn solche herrliche Menschen, wie der Flüchtling, werden meist spottschlechte Ehegemahle, weil sie über vierzig Jahre immer den ersten Kuß und die erste Liebe von ihrer Frau verlangen und die dazu gehörige Glut und Schwärmerei – und weil er ihr nicht durch die Flucht so zuwider wird, wie er es als Ehemann mit seinen Launen und Überschwenglichkeiten würde, sondern sie sieht auch durch alle Zukunft in ihm den liebenswürdigen, schönen, geistvollen, starken, göttergleichen Mann, der sie gewiß höchst beseligt hätte, wenn er nur nicht früher fortgegangen wäre. Und ist eine solche Phantasie-Ehe nicht besser und beglückender, als wenn sie beide im Schweiße des Angesichts an dem Joche der Ehe tragen und den verhaßten Wechselbalg der erloschenen Liebe langsam und ärgerlich dem Grabe hätten entgegenschleifen müssen. – Bei Gott, Titus, da ich auch so ein Stück eines Phantasten bin, so wäre ich im Stande, wenn ich die Unbekannte je fände, mich immer tiefer hineinzuflammen, und wenn dann einmal eine Stunde vom Himmel fällt, wo ihr Herz und mein Herz entzündet, selig in einander überstürmen – – – dann sag ich ihr: »Nun drücken wir auf diese Herrlichkeit noch das Siegel des Trennungsschmerzes, daß sie vollendet werde, und sehen uns ewig nicht mehr – sonst wird dieser Augenblick durch die folgende Alltäglichkeit abgenützt, und wir fragen einst unser Herz vergeblich nach ihm; denn auch in der Erinnerung ist er verfälscht und abgesiecht.« So spräche ich; denn mir graut es, sollte ich auch einmal die Zahl jener Gestalten von Eheleuten vermehren, wie ich viele kenne, die mit ausgeleerten Herzen bloß neben einander leben, bis eines stirbtund das andere ihm ein schönes Leichenbegängnis veranstaltet. Himmel! lieber eine echte unglückliche Ehe, als solch ein Zwitterding.
Alle Millionen Jungfrauen Europas habe ich hier zu Gegnerinnen, weil sie meinen, alle künftigen Himmelreiche würden ja durch einen solchen Entschluß freiwillig bei Seite gestellt, und diese müßten gerade jetzt erst recht angehen, da die Aufschrift an dem Tore schon so schön gewesen sei – aber das Prachttor führt nur zu oft in einen artigen Garten, der sich in Steppen verflacht oder leider oft in einem Sumpf vergeht.
Groß müssen zwei Herzen sein, die, dem leise nagenden Zahn der Alltäglichkeit nicht untertan, sich in ein reiches Leben schauen lassen, wo die Grazie täglich in einer andern Gestalt auf dem Throne sitzt; – groß müssen sie sein und ohne Sünde. Dann dürfen sie getrost eingehen durch das Prachttor; für sie führt der Garten ins Unendliche.
Ein närrischer Gedanke heckt den andern aus. Ein solches Ehepaar – nein, zwei, drei, vier solche Ehepaare möchte ich an einem schönen See haben, zum Beispiel dem Traunsee, der so
Weitere Kostenlose Bücher