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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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1834
     
    Seit dem zwölften Mai gab es gar nichts; aber das Ende dieses Monats war eigentümlich genug. Das Wetter hatte sich lange zusammengezogen, und Anzeichen und Wahrsagungen und Ahnungen und alles ging vorher; nun ist es da – ich bin verliebt, und, bei Gott! ich nehme mir vor, es ganz unmäßig zu sein und den Becher tüchtig rasch hineinzutrinken, in den sie uns das himmlisch süße Gift tun.
    Höre mich – ich will Dir alles schreiben. Am letzten Mai war ich bei Aston geladen und ging hin. Die Pastoralsymphonie wurde von lauter feurigen Verehrern des toten Meisters vortrefflich ausgeführt. Ich floh in sein Schreibstübchen, in das keine andere Beleuchtung floß, als eine sanfte Dämmerung aus einem dritten Zimmer, in welchem vier dicht bei einander stehende Lampen aus matt geschliffenem Glase die Milch ihres Lichtes ergossen. An dieses ferne Zimmer erst stieß der Saal, wo die Musik und die Gesellschaft war; ich war also so gut wie allein. Auf dem weichen, weißen Samte dieses Lichtes nun wallte die Symphonie zu mir herein und brachte alle Idyllen und Kindheitsträume mit, und je mehr sie schwoll und rauschte, um so mehr zog sie gleichsam goldne Fäden um das Herz. Wie ist diese Musik rein und sittlich gegen den leichtfertigen Jubel unserer meisten Opern! Auf unbefleckten, weißen Taubenschwingen zieht sie siegreich in die Seele.
    Ich wäre ohne weiteres mit ihrem Ende fortgegangen, wenn dies auf eine andere Weise möglich gewesen wäre, als mitten durch alle Anwesende, deren Grüße, Fragen, Anreden, Gutenachtwünsche usw. mir unangenehm waren. Der letzte Ton war verhallt, und sogleich ging draußen ein Brausen an und ein Sesselrücken, und ein leidiges Tanzen begann. Im Lampenzimmer wurden gar Spieltische gestellt, und bis zu mir herein drangen die Streifenden. Sofort hob für mich die Langeweile an. Emma, die jüngere Tochter Astons, wollte, ich solle tanzen. Ich erwiderte, daß ich nicht starker Geist genug sei zu solchen Übergängen, wie unser Jungfrauengeschlecht, das dicht an Beethoven das Tanzen nicht verachte. »Doch ist jemand aus dem Geschlechte so stark,« sagte Emma lächelnd, »und sogar zwei sind es. Lucie und ihre altrömische Freundin, die Sie heute werden kennen lernen, – der weibliche Cato von Utika – oder von wo – sie sind sogar in den Garten hinabgegangen. Übrigens,« fügte sie bei, »mir hat die Symphonie sehr gut gefallen; aber jetzt gefallen mir sämtliche Tänzer auch, und ich kann mit meiner Empfindung nicht so breit tun, wie mit einem steifseidenen Gewande, und wie die andern, und so ade, Herr Aristoteles.« Sie knickste ernsthaft und schwebte künstlich zwischen all den Klippen der Spieltische, wie ein leichtes Fahrzeug, hinaus in die wogende See des Tanzsaales.
    Nach dem Garten hätte ich wohl auch ein Gelüste getragen, aber ich mußte es nun aufgeben, um die zwei Freundinnen nicht zu stören, die ihn wahrscheinlich für ganz unbesucht hielten. Ich trat daher, wie gewöhnlich, Reisen durch alle Zimmer und durch die Gruppen darin an, und als ich im Bedientenzimmer die Pulte und Reste der Symphonie, wie ein kahles Feuerwerksgerüste, antraf, hatte ich eine Art Schmerzempfindung, wie bei dem Anblicke eines abgebrannten Hauses. Auf dem Rückwege geriet ich zwischen die Wimpel und Fahnen mehrerer Putzhauben, die zusammenstaken und verleumdeten. »Beide«, hörte ich sie sagen, »sind im Garten, und sie macht die Lucie noch zu derselben unnatürlichen Figur, wie sie selbsten ist. – Gott genade dem Manne, der eine solche verschrobene....« Mehr hörte und wollte ich nicht hören.
    Arme Angela, dies ist nun seit einer kleinen halben Stunde schon die zweite harte Äußerung über dich – noch dazu an deinem Namenstage – so dachte ich und nahm mir vor, sobald sie heraufkäme, sie mir zeigen zu lassen und sie gerade recht mit Auszeichnung zu behandeln, namentlich auch, um die Putzhauben zu ärgern.
    Ich trat wieder unter die Tanzenden – alles – die herumfliegenden Gestalten, die glühenden Wangen und strahlenden Augen der Mädchen, das Vergnügen der zusehenden Mütter, selbst die spielenden Herren – alles nimmt nun in meiner Erinnerung eine rührende Gestalt an. Ich werde den Grund angeben. Als ich nämlich sattsam wie ein Irrstern unter diesen Wandelsternen herumgeschweift war, ließ ich mich endlich häuslich nieder vor einer Rheinweinflasche, die mir Aston immer aus Vorliebe gibt, und rief einen Bekannten herzu, der ebenfalls ein Fremdling in der Tanz- und

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