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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Spielwelt war. Wir gerieten ins Plaudern, während der Tanz draußen schleifte und schwirrte und rauschte. Unser Tisch war gleichsam ein Landsitz außerhalb dieses Stadtgewühls; denn er stand im Schreibstübchen, das aber jetzt beleuchtet war. Im Zimmer daneben und im dritten, im Lampenzimmer, saßen hartnäckige Whistgesellen. Wir hatten bereits die zweite Flasche angebrochen und handelten den Virgil ab, die musikalischste Muse der Römer, als sich folgendes ergab. Mein Nachbar pries seine Zartheit in der sinnlichen Malerei, in der er fast an die Griechen reiche, und sagte die Stelle als Beleg:
     
    Tempus erat, quo prima quies mortalibus aegris
    Incipit et... et....
     
    Aber weder er noch ich wußten den schönen Vers zu Ende – da sprach unglaublich sanft eine weibliche Stimme hinter mir:
     
    et dono divum gratissima serpit.
     
    Ich sah neugierig um und – lege den größten Maßstab an mein Erschrecken – dicht hinter meiner Stuhllehne an der Seite Luciens, von unserer Lampe scharf beleuchtet, schwebt das Gesicht aus dem Paradiesgarten – dasselbe edle, sanfte, unbeschreiblich schöne Angesicht in der ersten Blüte der Jugend, dieselben Augen, zwei Sonnenräder, nur darüber dämmernd die langen, feinen Wimpern, wie Mondesstrahlen. Ich war aufgesprungen und starrte sie töricht an, während sie mit tiefem Purpur übergossen wurde.
    »So schlagen Sie mich überall aus dem Felde, schöne Feindin«, sagte mein Nachbar, der auch aufgestanden war und sich artig lächelnd verbeugte; »auch im Virgil sind Sie mir überlegen.«
    »Hier führe ich Ihnen«, sprach Lucie, »meine liebste Freundin auf, die längst versprochene Angela« – und dann zu ihr gewendet – »dies ist der bescheidene Maler der Umgebungen Wiens.«
    Wir verbeugten uns gegenseitig.
    Mein Nachbar sprach sogleich darein und benahm sich überhaupt wie ein Bekannter Angelas.
    In diesem Augenblicke trat auch Aston herbei, und in seinem Angesichte war ein Weltmeer von Freude zu sehen über die gänzlich gelungene Überraschung, von der er alles und jedes auf seine Rechnung setzte, was an Ratlosigkeit in meinem Gesichte mußte sichtbar gewesen sein. Freilich konnte er den Grund meiner lächerlichen Verlegenheit nicht ahnen, die mich immer von neuem erfaßte, wenn ich sie ansah und die in mir herumringenden Gestalten in eine erträgliche Ordnung zu bringen versuchte. Diese also ist die verschrobene Angela, sie ist aber auch die Fürstin – und wer stand denn nun vor dem Hochspiegel – wer ist denn das lebensgroße Bild, wer das kleine Abbild? und Lothar sitzt höllischer Weise auf dem Hochschwab und malt dort Naturstudien und kann keinen Teufel aufklären – wenn er nicht gar selber im Komplotte steckt und sich zu guter Zeit auf und davon gemacht hat. Im ganzen goldnen Lamme wohnt ja die Fürstin, wenn sie nicht schon davon gefahren ist; das weiß ja ganz Wien, und daß sie von dem jungen Maler außerordentlich getroffen wurde, erzählt auch ganz Wien – und daß ich das lebensgroße Bild selber im goldnen Lamme sah, schon im Rahmen, schon an den Boden der Reisekiste geschraubt, weiß ich mit Gottes Hilfe auch, und hier steht sie im einfachsten Kleide und lächelt mich an! – In meinem Zimmer – wenn es sich nicht unterdessen in eine Kohle verwandelt hat – liegt das kleine Bild, auf dem sie auch steht! – Dann die seltsame Lage hilft ihr auch noch, mich zum Narren zu machen, daß nämlich zweimal dasselbe ungewöhnlich schöne Angesicht allemal dicht vor meinen Augen in der Luft hing und zauberte, statt daß es ordentlich in der deutlichen Sehweite gesessen wäre zu verständiger Betrachtung und Anschauung. Und alle machten sie so unschuldige Gesichter, als wäre auf dem ganzen Erdboden kein trübes Wässerlein – oder gelang dem Aston dieses Mal eine meisterhafte Verwirrung? Wenn nur die Fürstin noch da ist, so warte ich morgen tausend Stunden vor dem goldnen Lamme, daß ich sie ausfahren sehe, und Lucie – denn das Teufelchen Emma sagt nichts – muß heute noch Rede und Antwort stehen. Eine solche Ähnlichkeit zwischen zwei wildfremden Menschen ist gar ganz unmöglich; das muß ich verstehen, der ich schon über hundert Angesichter malte.
    So dachte ich ungefähr in dem Augenblicke, als ich vor ihr stand; was ich aber geredet habe, weiß ich nicht mehr. Ersprießlich muß es nicht gewesen sein; denn sie wurde sichtbar verwirrt und errötete wiederholt, und Lucie machte immer größere Augen.
    Aston sprang uns allen, wie ein Engel des

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