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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Himmels, bei, als er die Nachricht brachte, draußen stehe alles aufgedeckt, und man warte schon auf uns zum Speisen.
    Auf dem Wege ins Tafelzimmer nahm er mich am Arm, während die zwei schönen Mädchengestalten vor uns gingen, und flüsterte mir ins Ohr: »Hab ich Ihnen mit dieser das Konzept verrückt? – und sie wird Ihnen sogar zu einem Bilde sitzen, wenn es Lucien gelingt, sie vollends zu überreden; denn nur ihr, als Freundin, wolle sie ein Bild von sich als Andenken überlassen. Dann wird sie gleich lebensgroß gemacht; die Kleiderverhältnisse wählen Sie selber, und ich stehe Ihnen bei, und wenn wir sie überreden, daß sie Ihnen zu Ruhm und Glück dadurch verhelfen kann, so erlaubt sie auch, daß das Bild in die Ausstellung darf, und dann ist Ihr Ruf gegründet, Freund. Diese ist einmal ein Gegenstand, durch den sich ein Künstler Ehre gewinnen kann. Die ganze Männerschaft ist verloren, wenn sie das Bild anschaut, und verliebt sich bei dieser Gelegenheit auch in den Künstler, und die Weiber werden sofort alle von Ihnen gemalt sein wollen, weil sie meinen, sie würden dann auch so hübsch aussehen und so prachtvoll zwischen dem Goldrahmen sitzen. Wären Sie nur letzte Zeit nicht so halsstarrig gewesen – sie hat sogar einige Male nach Ihnen gefragt so hätten Sie sie schon längst sehen können; denn mein Plan war es schon vom Winter her, Ihnen mit ihr den Verstand zu zerrütten. Aber es ist nicht aller Tage Abend – ich könnte Ihnen noch allerlei Dinge sagen; aber gegebene Worte muß man halten – man muß sie halten.«
    Mittlerweile gelangten wir an den Tisch, und er setzte mich ihr gegenüber. Meine Ruhe war durch den Gang ziemlich hergestellt, und ich saß voll Gelassenheit zwischen zwei schönen angewiesenen Tischnachbarinnen nieder, um mein Gegenüber auch einmal mit Ordnung und Verstand zu betrachten und über selbes zu richten.
    Aber gefährlich blieb es; denn selbst jetzt, in dieser Prosa des Anschauens – das Himmelsbild setzte gar eine Tasse mit Rindsuppe an den Mund – verspürte ich doch gleich beim ersten Blicke wieder etwas von jener Zauberei, wie vor drei Wochen im Paradiesgarten. Ich sprach daher mit meiner Nachbarin rechts über das auserlesene Wetter; dann mit meiner Nachbarin links auch über das auserlesene Wetter – es ist aber auch wirklich auserlesen, wie es hier seit dem Jahre 1811 nicht gewesen ist; so sagen die Weinkenner – dann aß ich, reichte Teller herum, mischte mich in Gespräche und verlegte mich überhaupt auf die Unbefangenheit. Aston sah verschmitzt aus. Man sprach über die Symphonie und stritt. Ich mischte mich ein. Auf einmal, mitten in dem allgemeinen Brausen, tönte wieder die unglückselige, sanfte lateinische Stimme, aber diesmal deutsch. – Ohne Verzug lagen meine Augen drüben und begegneten einem großen, unschuldig schönen Blick voll Männerernstes. Sie fing eben an, den armen Ludwig gegen zwei ältliche Frauen zu verteidigen, die ihm Überspanntheit und Verworrenheit vorwarfen. Ein alter Herr mit schneeweißen Haaren – er hatte das Violoncell gespielt – stimmte ihr bei und ereiferte sich jugendlich für seinen Liebling, wofür ihn das schönste Augenpaar des Saales einigemal recht töchterlich lieb ansah. Der ewig alte Hader, in den man allezeit gerät, wenn man von Beethoven spricht, ob er oder Mozart vorzuziehen sei, entstand auch hier und ward mit Hast verfochten. Alle Damen waren Mozartistinnen und ein großer Teil der Männer – Angela stand für Beethoven, unterstützt von dem greisen Violoncellisten und mir. Lucie mischte sich nicht ein; aber Emma sehr heftig für Mozart. Aber es war von beiden Seiten wenig zu gewinnen; denn gleich nach dem ersten Worte bemächtigte sich das mit starken Herren besetzte Südende des Tisches der Frage, und eine lärmende Kriegsfurie brach los. Sogleich schwieg Angela, und nur gleichsam sich entschuldigend und dankend wandte sie sich zu mir und sagte: »Ich bin nicht Kennerin genug, um anders als nach meinem Eindrucke zu urteilen; aber mich reißt es hin, wo, wie in der Natur, großartige Verschwendung ist. Mozart teilt mit freundlichem Angesichte unschätzbare Edelsteine aus und schenkt jedem etwas; Beethoven aber stürztgleich einem Wolkenbruch von Juwelen über das Volk; dann hält es sich die Hände vor den Kopf, damit es nicht blutig geschlagen wird, und geht am Ende fort, ohne den kleinsten Diamanten erhascht zu haben.«
    Mir war das Urteil aus der Seele gesprochen; aber ich war eigentlich nicht

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