Werke
die hintersten allezeit höher stehen als die vodersten, und über sie wegsehen, sich schließen läßt: so ist es natürlich, daß man sie auch in der Beschreibung des Homers annimmt, und diejenigen von seinen Bildern, die sich nach selbiger in ein Gemälde verbinden lassen, nicht unnötiger Weise trennet. Die doppelte Szene der friedfertigen Stadt, durch deren Straßen der fröhliche Aufzug einer Hochzeitfeier ging, indem auf dem Markte ein wichtiger Prozeß entschieden ward, erfordert diesem zu Folge kein doppeltes Gemälde, und Homer hat es gar wohl als ein einziges denken können, indem er sich die ganze Stadt aus einem so hohen Augenpunkte vorstellte, daß er die freie Aussicht zugleich in die Straßen und auf den Markt dadurch erhielt.
Ich bin der Meinung, daß man auf das eigentliche Perspektivische in den Gemälden nur gelegentlich durch die Szenenmalerei gekommen ist; und auch als diese schon in ihrer Vollkommenheit war, muß es noch nicht so leicht gewesen sein, die Regeln derselben auf eine einzige Fläche anzuwenden, indem sich noch in den spätern Gemälden unter den Altertümern des Herculanums so häufige und mannigfaltige Fehler gegen die Perspektiv finden, als man itzo kaum einem Lehrlinge vergeben würde. (121)
Doch ich entlasse mich der Mühe, meine zerstreuten Anmerkungen über einen Punkt zu sammeln, über welchen ich in des Herrn Winckelmanns versprochener Geschichte der Kunst die völligste Befriedigung zu erhalten hoffen darf. (122)
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XX
Ich lenke mich vielmehr wieder in meinen Weg, wenn ein Spaziergänger anders einen Weg hat.
Was ich von körperlichen Gegenständen überhaupt gesagt habe, das gilt von körperlichen schönen Gegenständen um so viel mehr.
Körperliche Schönheit entspringt aus der übereinstimmenden Wirkung mannigfaltiger Teile, die sich auf einmal übersehen lassen. Sie erfodert also, daß diese Teile neben einander liegen müssen; und da Dinge, deren Teile neben einander liegen, der eigentliche Gegenstand der Malerei sind; so kann sie, und nur sie allein, körperliche Schönheit nachahmen.
Der Dichter der die Elemente der Schönheit nur nach einander zeigen könnte, enthält sich daher der Schilderung körperlicher Schönheit, als Schönheit, gänzlich. Er fühlt es, daß diese Elemente nach einander geordnet, unmöglich die Wirkung haben können, die sie, neben einander geordnet, haben; daß der konzentrierende Blick, den wir nach ihrer Enumeration auf sie zugleich zurück senden wollen, uns doch kein übereinstimmendes Bild gewähret; daß es über die menschliche Einbildung gehet, sich vorzustellen, was dieser Mund, und diese Nase, und diese Augen zusammen für einen Effekt haben, wenn man sich nicht aus der Natur oder Kunst einer ähnlichen Komposition solcher Teile erinnern kann.
Und auch hier ist Homer das Muster aller Muster. Er sagt: Nireus war schön; Achilles war noch schöner; Helena besaß eine göttliche Schönheit. Aber nirgends läßt er sich in die umständlichere Schilderung dieser Schönheiten ein. Gleichwohl ist das ganze Gedicht auf die Schönheit der Helena gebauet. Wie sehr würde ein neuerer Dichter darüber luxuriert haben!
Schon ein Constantinus Manasses wollte seine kahle Chronike mit einem Gemälde der Helena auszieren. Ich muß ihn für seinen Versuch danken. Denn ich wüßte wirklich nicht, wo ich sonst ein Exempel auftreiben sollte, aus welchem augenscheinlicher erhelle, wie törigt es sei, etwas zu wagen, das Homer so weislich unterlassen hat. Wenn ich bei ihm lese: (123)
Ην έ γυνη περικαλλης, ευοφρυς, ευχρουσατη,
Ευπαρειος, ευπροσωπος, βοωπις, χιονοχρους,
Ελικοβλεφαρος, άβρα, χαριτων γεμον αλσος,
Δευκοβραχιων, τρυφερα, καλλος αντικρυς εμπνουν,
Το προσωπον καταλευκον, έ παρεια ρόδοχρους,
Το προσωπον επιχαρι, το βλεφαρον ώραιον,
Καλλος ανεπιτηδευτον, αβαπτισον, αυτοχρουν,
Εβαπτε την λευκοτητα ροδοχρια πυρινη,
Ως ει τις τον ελεφαντα βαψει λαμπρα πορφυρα.
Δειρη μακρα, καταλευκος, όϑεν εμυϑουργηϑη
Κυκνογενη την ευοπτον Ελενην χρηματιζειν. – –
so dünkt mich, ich sehe Steine auf einen Berg wälzen, aus welchen auf der Spitze
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