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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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diese Gelehrsamkeit und Einsicht uns Lesern, die wir eine schöne Frau zu sehen glauben wollen, die wir etwas von der sanften Wallung des Geblüts dabei empfinden wollen, die den wirklichen Anblick der Schönheit begleitet? Wenn der Dichter weiß, aus welchen Verhältnissen eine schöne Gestalt entspringet, wissen wir es darum auch? Und wenn wir es auch wüßten, läßt er uns hier diese Verhältnisse sehen? Oder erleichtert er uns auch nur im geringsten die Mühe, uns ihrer auf eine lebhafte anschauende Art zu erinnern? Eine Stirn, in die gehörigen Schranken geschlossen, la fronte,
    Che lo spazio finia con giusta meta;
    eine Nase, an welcher selbst der Neid nichts zu bessern findet,
    Che non trova l’invidia, ove l’emende;
    eine Hand, etwas länglich und schmal in ihrer Breite,
    Lunghetta alquanto, et di larghezza angusta:
    was für ein Bild geben diese allgemeine Formeln? In dem Munde eines Zeichenmeisters, der seine Schüler auf die Schönheiten des akademischen Modells aufmerksam machen will, möchten sie noch etwas sagen; denn ein Blick auf dieses Modell, und sie sehen die gehörigen Schranken der fröhlichen Stirne, sie sehen den schönsten Schnitt der Nase, die schmale Breite der niedlichen Hand. Aber bei dem Dichter sehe ich nichts, und empfinde mit Verdruß die Vergeblichkeit meiner besten Anstrengung, etwas sehen zu wollen.
    In diesem Punkte, in welchem Virgil dem Homer durch Nichtstun nachahmen können, ist auch Virgil ziemlich glücklich gewesen. Auch seine Dido ist ihm weiter nichts als pulcherrima Dido. Wenn er ja umständlicher etwas an ihr beschreibet, so ist es ihr reicher Putz, ihr prächtiger Aufzug:
    Tandem progreditur – – – –
    Sidoniam picto chlamydem circumdata limbo:
    Cui pharetra ex auro, crines nodantur in aurum,
    Aurea purpuream subnectit fibula vestem. (130)
    Wollte man darum auf ihn anwenden, was jener alte Künstler zu einem Lehrlinge sagte, der eine sehr geschmückte Helena gemalt hatte, »da du sie nicht schön malen können, hast du sie reich gemalt«: so würde Virgil antworten, »es liegt nicht an mir, daß ich sie nicht schön malen können; der Tadel trifft die Schranken meiner Kunst; mein Lob sei, mich innerhalb diesen Schranken gehalten zu haben.«
    Ich darf hier die beiden Lieder des Anakreons nicht vergessen, in welchen er uns die Schönheit seines Mädchens und seines Bathylls zergliedert. (131) Die Wendung die er dabei nimmt, macht alles gut. Er glaubt einen Maler vor sich zu haben, und läßt ihn unter seinen Augen arbeiten. So, sagt er, mache mir das Haar, so die Stirne, so die Augen, so den Mund, so Hals und Busen, so Hüft und Hände! Was der Künstler nur Teilweise zusammen setzen kann, konnte ihm der Dichter auch nur Teilweise vorschreiben. Seine Absicht ist nicht, daß wir in dieser mündlichen Direktion des Malers, die ganze Schönheit der geliebten Gegenstände erkennen und fühlen sollen; er selbst empfindet die Unfähigkeit des wörtlichen Ausdrucks, und nimmt eben daher den Ausdruck der Kunst zu Hülfe, deren Täuschung er so sehr erhebet, daß das ganze Lied mehr ein Lobgedicht auf die Kunst, als auf sein Mädchen zu sein scheinet. Er sieht nicht das Bild, er sieht sie selbst, und glaubt, daß es nun eben den Mund zum Reden eröffnen werde:
    Απεχει βλεπω γαρ αυτην.
    Ταχα, κηρε, και λαλησεις.
    Auch in der Angabe des Bathylls, ist die Anpreisung des schönen Knabens mit der Anpreisung der Kunst und des Künstlers so in einander geflochten, daß es zweifelhaft wird, wem zu Ehren Anakreon das Lied eigentlich bestimmt habe. Er sammelt die schönsten Teile aus verschiednen Gemälden, an welchen eben die vorzügliche Schönheit dieser Teile das Charakteristische war; den Hals nimmt er von einem Adonis, Brust und Hände von einem Merkur, die Hüfte von einem Pollux, den Bauch von einem Bacchus; bis er den ganzen Bathyll in einem vollendeten Apollo des Künstlers erblickt.
    Μετα δε προσωπον εσω,
    Τον Αδωνιδος παρελϑων.
    Ελεφαντινος τραχηλος
    Μειαμαζιον δε ποιει
    Διδυμας τε χειρας Ερμου.
    Ποσυδευκεος δε μηρους.
    Διονυσιην δε νηδυν – –
    Τον Απολλωνα δε τουτον
    Καϑελων, ποιει Βαϑυλλον.
    So weiß auch Lucian von der Schönheit der Panthea anders keinen Begriff zu machen, als durch Verweisung auf die schönsten weiblichen Bildsäulen alter Künstler. (132) Was

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